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13.9.12

14.7.12

"Dieser Ozean, beschämend in seinen Verkleidungen"

Dieser Ozean, beschämend in seinen Verkleidungen
Härter als alles andere.
Niemand hört Gedichte. Dem Ozean
Soll nicht zugehört werden. Ein Tropfen
Oder Brechen von Wasser. Es bedeutet
Nichts.
Es
Ist Brot und Butter
Pfeffer und Salz. Der Tod
Auf den junge Männer hoffen. Ziellos
Schlägt er ans Ufer. Weiße und ziellose Signale. Nie-
Mand hört Gedichte.

– Jack Spicer

(1964)

Ins Deutsche übertragen von Johannes Beilharz. Copyright © der Übersetzung Johannes Beilharz 2012.

Das englische Original ist hier zu lesen.

Jack Spicer (1925-1965) stand der Gruppe der San Francisco Renaissance nahe.

18.5.12

Freitag, vor Feierabend

Vor den Fenstern das Konzert
für einen Blattbläser, zwei Sägen
und drei Motoren von F.A. Stihl
in Kreisch-dur.

– Iself (© 2012)

Nachbemerkungen

Präzise und zeitnahe poetische Aufzeichnung der mich gestern umgebenden Realität.

Ursprünglich hatte ich als Tonart Kreisch-moll genannt, doch hat – jeder wird mir beistimmen – der Lärm von Mororsägen einfach nicht das Traurige, das man generell mit moll assoziiert.

17.5.12

Gestern gekauft

rote und grüne Tafeläpfel,
geeignet für schwarze,
weiße, gelbe und rote
Tafelbesitzer

Sie haben die richtige Form
entsprechend der richtigen Norm

Hurra!

– Iself (© 2012)

PS: Was gibt’s eigentlich außer Tafeläpfeln noch für Äpfel? Mostäpfel, Falläpfel? Im Großen und Ganzen scheint der Zusatz “Tafel” eher überflüssig, da man die Äpfel ja wohl auch mitnehmen und irgendwo anders essen darf als am Tisch.
Wie auch der Zusatz “Land” beim Landschwein überflüssig ist. (Oder gibt es tatsächlich heutzutage Stadtschweine?)
Oder der Zusatz “Land” beim Ei. Außer es handelt sich um ein menschliches Landei.

5.5.12

Sekundäres Haiku

So viele blitzar-
tige Erkenntnisse wie
in Haiku gibt’s nicht.

– Iself (© 2012)

1.4.12

Octavio Paz: Lose Steine

Erklärung einiger Dinge

1. Belebung

Auf dem Bücherregal –
zwischen einem musikalischen Tang und einem Krug aus Oaxaca –,
glühend und lebhaft,
mit funkelnden Augen aus Silberpapier,
sieht er uns kommen und gehen,
der kleine Totenkopf aus Zucker.

2. Maske des Tláloc, in durchscheinenden Quarz geschnitten

Versteinerte Wasser.
Der alte Tláloc schläft darin
und träumt von Ungewittern.

3. Derselbe

Vom Licht berührt,
ist der Quarz schon Wasserfall.
Auf seinen Wassern treibt der Kindgott dahin.

4. Gott, einer tönernen Orchidee entsteigend

Den Blütenblättern aus Ton
entsprießt mit einem Lächeln
die menschliche Blume.

5. Olmekische Göttin

Die vier Himmelsrichtungen
kehren zu deinem Nabel zurück.
In deinem Bauch schlägt der bewehrte Tag.

6. Kalender

Gegen das Wasser Tage aus Feuer.
Gegen das Feuer Tage aus Wasser.

7. Xochipilli

Im Baum des Tages
hängen in der Nacht
Jadefrüchte, Feuer und Blut.

8. Kreuz, Sonne und Mond aufgemalt

Zwischen den Balken dieses Kreuzes
nisteten zwei Vögel:
Adam, die Sonne, und Eva, der Mond.

9. Kind und Kreisel

Jeder Wurf
landet genau
im Mittelpunkt der Welt.

10. Gegenstände

Sie leben an unserer Seite,
wir ignorieren sie, sie ignorieren uns.
Dann und wann reden sie mit uns.

– Octavio Paz

Übertragung des Gedichts Lección de Cosas, Bestandteil von Piedras Sueltas (1955) zu Ehren von Octavio Paz, der am 31.3.2012 seinen 98. Geburtstag gehabt hätte.

Als Vorlage diente der Abdruck des Gedichts in Libertad bajo Palabra, Obra Poética (1935-1957), Mexico City: Fondo de Cultura Económica 1960.

Copyright © der Übersetzung Johannes Beilharz 2012.

Nachbemerkung
Die obige Übersetzung ist völlig neu und wurde ohne Berücksichtigung der deutschen Fassung dieses Gedichts in dem Band Octavio Paz / Gedichte (Bibliothek Suhrkamp 551, 1977) angefertigt. Diese ältere Übersetzung von Fritz Vogelgsang muss auf einer anderen Vorlage basieren, da sie um etwa die Hälfte kürzer ist und auch nicht nummeriert ist wie der mir vorliegende spanische Text.

14.3.12

Das Nasobem


Auf seinen Nasen schreitet
einher das Nasobem,
von seinem Kind begleitet.
Es steht noch nicht im Brehm.

Es steht noch nicht im Meyer.
Und auch im Brockhaus nicht.
Es trat aus meiner Leyer
zum ersten Mal ans Licht.

Auf seinen Nasen schreitet
(wie schon gesagt) seitdem,
von seinem Kind begleitet,
einher das Nasobem.

Christian Morgenstern (1871-1914)

The Nosobeme (englische Übertragung).

Gedichte und sonstige Werke von Christian Morgenstern sind in zahlreichen Ausgaben im Buchhandel und Online-Buchhandel, z.B. Amazon, erhältlich.

6.3.12

Nacht

Oh letz –
jetzt ist alles aus

Die Lichter sind aus
es ist das Weltenende

Du sagst zünd eine Kerze an
und wag dich aus dem Bett

Wir haben keine Streichhölzer
sag ich

in dieser Nacht
Oh letz

die scheint
wie das Weltenende

– Johannes Beilharz (© 2012)

Ein unscheinbarer Versuch, etwas zum Thema Nacht zu schreiben, das noch nicht geschrieben wurde, und das die richtige Waage hält zwischen unpathetisch und dem natürlichen Pathos des Titels. Etwas beeinflussen lassen habe ich mich dabei vom Stile Vicente Huidobros.

Erklärung zu "Oh letz" - ist abgeleitet von dem aus der Mode gekommenen Ausspruch "Jetzt ist alles letz".

8.1.12

Jacques Prévert: Roboterliebe

Roboterliebe

    Ein Mann schreibt auf der Schreibmaschine einen Liebesbrief und die Maschine antwortet dem Mann an Stelle der Empfängerin und ihrer Hand
    Sie ist dermaßen perfekt diese Maschine diese Maschine zum Waschen von Schecks und Liebesbriefen
    Und der Mann, bequem in seiner Wohnmaschine sitzend, liest mit der Lesemaschine die Antwort der Schreibmaschine
    Und in seiner Träumemaschine kauft er mit seiner Rechenmaschine eine Liebesmaschine
    Und in seiner Traumverwirklichungsmaschine liebt er die Schreibmaschine die Liebesmaschine
    Und die Maschine betrügt ihn mit einem Maschin*
    Einem Maschin zum Totlachen

– Jacques Prévert

Ins Deutsche gebracht von Johannes Beilharz.

Das französische Original, L'Amour à la Robote, ist in dem Band La Pluie et le Beau Temps (1955) enthalten.

*Frz. machin (Dings, Dingsbums), mit dem Wort machine in der Schreibung fast identisch, könnte auch als männliche Entsprechung der weiblichen Maschine interpretiert werden. Es schien mir nach Rücksprache mit französischen Freunden richtig, hier im Deutschen eine männlichen Entsprechung zu erfinden, den Maschin, da dies einer der möglichen Bedeutungen dieser Wortspielerei am Französischen wohl am ehesten entspricht.

21.12.11

Yuppie am Handy, Mittwochmorgen, ca. 9 Uhr

Der Mann im Gang
geht auf und ab.
Eine Kostenstelle
hält ihn auf Trab.
Ohne meine neugierigen Ohren
wäre er ganz sicher
vollkommen verloren.

– Felix Morgenstern (© 2011)

Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, beruhend auf messerscharfer poetischer Beobachtung.

4.12.11

Friedrich Nietzsche: Der Herbst

Dies ist der Herbst: der – bricht Dir noch das Herz!
Fliege fort! Fliege fort! –
Die Sonne schleicht zum Berg
und steigt und steigt
und ruht bei jedem Schritt.

Was ward die Welt so welk!
Auf müd gespannten Fäden spielt
der Wind sein Lied.
Die Hoffnung floh –
er klagt ihr nach.

Dies ist der Herbst: der – bricht Dir noch das Herz!
Fliege fort! Fliege fort! –
O Frucht des Baums,
du zitterst, fällst?
Welch ein Geheimnis lehrte dich die Nacht,
dass eisger Schauder deine Wange,
die Purpurwange deckt? –

Du schweigst, antwortest nicht?
Wer redet noch? – –
Dies ist der Herbst: der – bricht Dir noch das Herz!
Fliege fort! Fliege fort! –
“Ich bin nicht schön”
– so spricht die Sternenblume –
“doch Menschen lieb ich
und Menschen tröst ich –
sie sollen jetzt noch Blumen sehn,
nach mir sich bücken,
ach! und mich brechen –
in ihren Augen glänzet dann
Erinnrung auf,
Erinnerung an Schöneres als ich: –
ich sehs, ich sehs – und sterbe so!” –

Dies ist der Herbst: der – bricht Dir noch das Herz!
Fliege fort! Fliege fort! –

Dies ist der Herbst: der – bricht Dir noch das Herz!
Fliege fort! Fliege fort! –

– Friedrich Nietzsche

Entnommen der Anthologie Die Ernte aus acht Jahrhunderten deutscher Lyrik, gesammelt von Will Vesper, Langewiesche-Brandt, Ebenhausen bei München 1906. Dieses Gedicht entstammt Nietzsches Buch Gedichte und Sprüche.

19.11.11

Herbstliches von Max Dauthendey

Die Raben schreien wie verwundet
und prophezeien Nacht und Not.
Der Frost hat jede Tür umstellt
und der Hungerhund bellt.
Wir halten uns immer enger umschlungen,
im Küssen fanden wir noch kein Wort,
die Lerchen haben sich tot gesungen
und Wolken wälzten den Sommer fort.
Doch Dein Haupt, das in meinem Arm sich wiegt,
weiß nicht mehr, wo die Erde liegt.

– Max Dauthendey (1867-1918)

Entnommen der Anthologie Die Ernte aus acht Jahrhunderten deutscher Lyrik, gesammelt von Will Vesper, Langewiesche-Brandt, Ebenhausen bei München 1906. Dieses Gedicht entstammt dem Band Die ewige Hochzeit von 1905, war also zur Zeit der Herausgabe der Anthologie erst seit einem Jahr veröffentlicht.

Biografisches

14.10.11

Das Lied des Harfenmädchens

Frei nach Theodor Storm

Das Harfenmädchen ist heut nicht gut drauf.
Lustlos klimpert es auf den Saiten.
Noch ist ihm keiner in die Netze gegangen (gestern waren es drei,
und jetzt liegen sie alle tot auf Grund).
Und überhaupt: wieso immer auf Männerfang gehen
und dann doch keinen bekommen?
Und dann so eine unsinnige Flosse!
Manchmal hätte man viel lieber einen unbeschuppten Unterleib und zwei Beine.
Dann ein bisschen Shoppen in Rüdesheim oder Koblenz,
ein bisschen Schlendern, ein bisschen Unterhaltung.
Es ist schon ein schweres Schicksal so als Harfenmädchen.
Jeden Tag dasselbe Lied...

– Iself (© 2011)

19.3.11

Der rote Schubkarren

so viel hängt ab
von

einem roten Schub-
karren

besprengt mit Regen-
wasser

bei den weißen
Hühnern.

– William Carlos Williams

Ins Deutsche gebracht von Johannes Beilharz (© der Übersetzung 2011).

Original: The red wheelbarrow

Eloge an WCW

Respektlose Nachbemerkung
Was genau von den obigen poetischen Gegebenheiten abhängt, konnte bisher noch nicht hinreichend geklärt werden, gehört jedoch eindeutig ins Reich der Philosophie.

Eloge an WCW

Was von dem roten
Schubkarren und

den weißen Hühnern
abhängt, konnte noch

nicht definitiv geklärt
werden. Was Regen

anrichten kann, das ist
hinreichend bekannt.

– Johannes Beilharz (© 2011)

Bezieht sich auf das häufig zitierte Gedicht von William Carlos Williams, The Red Wheelbarrow (Der rote Schubkarren).

Pijushakanti Sarkar

Ein veristisches Gedicht*

Hier kommt nichts vor, das es nicht
in unmittelbarer Umgebung gibt.

Die Stimme des Pijushakanti Sarkar
aus Bengalen wird herbeigetragen

auf mp3 und Laptop. Eine elektrische
Lampe aus gebürstetem Edelstahl

mit Mattglasschirm steht unbeleuchtet
dabei. Die Leuchtkraft durch die Fenster

reicht trotz der gesättigten Grauheit
da draußen aus. Die Sonne

ist unsichtbar. Dank Wissenschaft
wissen wir jedoch, dass sie trotzdem

da ist. Stühlerücken unter mir,
Bewegungen, Gänge, Gespräch.

Nichts Unruhiges, die beiden Kinder
kreischen nicht, die Eltern schimpfen

nicht. Da draußen ist auch ein Nieseln,
in das ich in Kürze hinaus muss.

Hier kommt nichts vor, das es nicht
in unmittelbarer Umgebung gibt.

Alles ist eine Frage von Beziehungen,
des in Bezug Setzens. Oder auch nicht.

– Johannes Beilharz (© 2011)

*Veristische Gedichte (gemäß meiner Erfindung) bedienen sich ausschließlich bei dem in nächster Nähe Befindlichen. Sie sind darin Lebensmittelläden ähnlich, in denen nur Produkte aus der unmittelbaren Umgebung angeboten werden. Sie bedienen sich auch ein bisschen bei William Carlos Williams und dessen “No ideas but in things” (oder vielleicht auch bei den Meistern der Reluktanz, deren abgekürztes Diktum “No ideas” oder vielleicht gar “No idea” zu lauten scheint).

8.1.11

Spielende rollende Augen

Die Augen, jene wie es nun sei,
Sie spielen im Prinzip auch verspielt!
Sie rollen!
Aristophanes, staune und flieh!
Welch göttliches Glück!
Augen!
Spielende Augen für Aristophanes.

– Iself & Poetron

Zur Genesis dieses Gedichts
Wenn einem selbst nichts einfällt, kann man sich an Poetron wenden, und der dichtet! Gefüttert habe ich ihn mit den Wörtern Aristophanes, Auge, spielen, verspielt. Und er hat was daraus gemacht, findet ihr nicht?
Neulich wurde ich zur Teilnahme an einem Workshop aufgefordert, der einem beibringt, Gedichte zu schreiben, die einen umhauen. Auf die Teilnahme musste ich leider verzichten, weil die Veranstaltung in Illinois oder Iowa oder sonstwo im Mittleren Westen stattfindet. Aber lernen würde ich das natürlich schon gern. Man denke nur: Gedichte, die einen umhauen! Sowas hab ich schon lang nicht mehr gelesen.

2.1.11

Die Uhr des Heiligen Panda

(Etwas aus dem Spanischen zur Erheiterung im neuen Jahr)

Die Uhr des Heiligen Panda

                       Sie geht nicht!

Arme Uhrmacherin, die du diese Uhr gebaut hast –

                    Was hast du nur mit dieser Uhr gemacht?

                          Ich denke an diese Uhr an den verschiedensten Orten

              an Uhrorten

                       die nicht gehen

– Justinián Belisar

aus dem Spanischen übersetzt von Johannes Beilharz (© 2011)

----------

El reloj del Santo Panda

                       ¡no anda!

Pobresita relojera que hiciste este reloj

                    ¿Qué has hecho con este reloj?

                          Sigo pensando en este reloj en lugares muy diversos

              En lugares de reloj

                       no andando

– Justinián Belisar (© 2002)

Anmerkung des Übersetzers
Über Justinián Belisar, den Autor dieses Gedichts, ist mir nichts bekannt, außer dass er aus Argentinien stammt. Er schickte mir 2002 per E-Mail mehrere Gedichte für mein Literaturforum mit der Bitte, sie dort zu veröffentlichen, reagierte danach aber auf keine meiner Mails.
In seinem ersten und einzigen Schreiben sagte er lediglich, dass er sich außerhalb des aktuellen Literaturbetriebs sieht, der ihn ankotzt, und dass er deshalb in seinem Heimatland regelmäßig nicht veröffentlicht wird.

24.12.10

Christian Morgenstern / Winternacht

Ein Wintergedicht zu den Feiertagen und zum Jahresende ...

Winternacht

Flockendichte Winternacht ...
Heimkehr von der Schenke ...
Stilles Einsamwandern macht,
daß ich deiner denke.

Schau dich fern im dunklen Raum
ruhn in bleichen Linnen ...
Leb ich wohl in deinem Traum
ganz geheim tiefinnen? ...

Stilles Einsamwandern macht,
daß ich nach dir leide ...
Eine weiße Flockennacht
flüstert um uns beide ...

Christian Morgenstern (1871-1914)

Für die Kenntnis dieses Gedichts danke ich Lyrikmail.

10.11.10

Octavio Paz: In den Gärten der Lodi

In das einmütige Blau
Entstoben den Kuppeln der Mausoleen
– Schwarz, zusammengedrängt, nachdenklich –
Auf einmal
                   Vögel

– Octavio Paz

Aus: Ladera este, Mexico City 1969. Übertragung aus dem Spanischen von Johannes Beilharz (© 2010)

Die Lodi-Gärten sind ein Park in Delhi, Indien. Benannt sind sie nach den Lodi, einer paschtunischen Dynastie, die im 16. Jahrhundert einen Großteil Nordindiens beherrschte.

Octavio Paz war von 1962 bis 1968 Botschafter Mexikos in Indien.