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24.5.20

Arrhythmie – ein Mikrogedicht von Ajo


Arrhythmie

Ich hasse die Liebe 
und hasse sie außerdem 
mit deinem Herzen.

✼ ❖ ✼ ❖ ✼ ❖ ✼ ❖ ✼ ❖ ✼ ❖ ✼ ❖ ✼ ❖ 

Aritmia

Odio el amor 
y además lo odio 
con tu corazón.

– Ajo (© 2004)

Übertragung ins Deutsche von Johannes Beilharz (© 2020)

15.5.20

William Carlos Williams: Komm schon!

Komm schon!

Eine andere Art von Gedanke
fader
und verzweifelter
wie jener von
Sergeant Soundso
an der Straße
in Belleau Wood:
Komm schon!
Willst du ewig
leben? –
Das
ist das Wesen
der Dichtung.
Aber sie nimmt nicht
immer
dieselbe Form an.
Größtenteils
besteht sie
daraus,
der Nachtigall
zuzuhören
oder Narren.

William Carlos Williams, Come on!, aus Pictures from Brueghel and other poems, New Directions, 1962.

Aus dem Amerikanischen von Johannes Beilharz (Copyright © 2020).

8.5.20

Minimale Philosophie

Filosofia minimale

Io butto
tutto

– Iself (© 2020)

Dies ist in diesem schönen sonnenverwöhnten Lande (wie auch anderswo) leider Gottes eine Philosophie, die viele Anhänger hat.

Zur Verdeutlichung für die der italienischen Sprache nicht mächtige Leserschaft hier auch gleich eine deutsche Version:

Minimale Philosophie

Auch ohne Sinn und Zweck:
ich schmeiße einfach alles weg

– Iself (© 2020)

7.5.20

Ezra Pound - Alba


Alba

Kühl wie die bleichen nassen Blätter
                                              des Maiglöckchens
Lag sie in der Morgendämmerung an meiner Seite

Translated by Johannes Beilharz (© 2020)

Note on this translation
There is a previous translation by Eva Hesse that is quoted on the Internet. She translated the word leaves as Blüten (blossoms, flowers). It seems unlikely that Ezra Pound did not know the difference between leaves and flowers, i.e. he did not require correction in German. Granted, white (the color of the flowers of lily of the valley) is paler than green (the color of the leaves), but the shape of the leaves (longish and flared) is more like the body of a woman than the flowers, which are bell-shaped (hence the German name Maiglöckchen) and round. Unless Pound really found a whitish, bell-shaped round woman by his side on that poetic morning...

– Johannes Beilharz

30.8.19

Spätsommer in Rom

Weiterhin schwere
drückende heiße Luft auf
den Schultern der Stadt

– Iself (© 2019)

Ein Haiku, das die aktualle Wettersituation in Rom akkurat beschreibt.

2.7.19

Haiku

Hallo, hier kommt ein 
sinnentbehrendes Gedicht 
japanischer Art.

– Iself (© 2019)

Anmerkung
Damit unterscheidet es sich nicht groß von zahlreichen anderen Gedichten.

29.3.19

W. S. Merwin – Es ist März

Es ist März

Es ist März und schwarzer Staub fällt aus den Büchern
Bald werde ich weg sein
Der große Geist der hier gelebt hat
Ist schon gegangen
Auf den Alleen liegt der farblose Faden unter
Alten Preisen

Wenn du zurückschaust ist da immer die Vergangenheit
Selbst wenn sie verschwunden ist
Aber wenn du nach vorne schaust
Mit deinen schmutzigen Knöcheln und dem flügellosen
Vogel auf der Schulter
Was kannst du da schreiben?

Die Bitterkeit steigt in den alten Minen immer noch hoch
Die Faust kommt aus dem Ei
Die Thermometer aus den Mündern der Leichen

In einer bestimmten Höhe
Sind die Schwänze der Drachen einen Augenblick lang
Von Fußschritten bedeckt

Was immer ich zu tun habe hat noch nicht begonnen

(It Is March, 1964)

Deutsche Übertragung von Johannes Beilharz zu Ehren des amerikanischen Dichters W. S. Merwin, am 15.3.2019 im Alter von 91 Jahren verstorben.

11.1.19

Alles, was fliegt...

Alles, was fliegt / Herabfällt und blutet
Was wie Schutt klingt / Was weh tut und nicht leckt
Was unter Blut lacht
Sie, die meine Leere spannt / Was sie mir vorlügt, wenn sie vorbeikommt
Das ganze Gesicht
Die ganze gesunde Ladung bricht die Seele
Die Verborgene singt Monate / Was hochmütig gurrt
Was saugt und tötet
Was die Küsse raucht
Zunge und Brand spaltet
Ausspuckt und liebt
Oder unter der Hand Klagen ausheckt
Alles was läuft / Und träumt / Schreib und lies nicht
All der Schmerz und die Begierden
Den ganzen Morgen und ein Blinzeln zur Unzeit
Aus dem Bett verschüttet
In Angst und Lächeln / Geflügelte Körper zur Seite
Unter der betrunkenen Dürre ein halbes Jahr
Fachwerk / Ära ohne Reisende
Die ganze Stimme jetzt
An der Wand wartend
Das Tote, das weggeht
Mit ausgefranstem Schicksal.

– Chema Abuelayonki


Aus dem Spanischen übersetzt von Johannes Beilharz mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Über den Autor
José María Moreno Ibarra, Pseudonym Chema Abuelayonki, geb. 1989 in Mexiko-Stadt. Veröffentlicht sein Werk im LETRAPAQ-Format, mit Recycling-Materialien oder obsoleten Objekten erstellte Autorenbücher. Seit 2012 ist er Mitglied der Festivalgruppe 100.000 Poets for Change (100TPC), die in der Gemeinde Naucalpan de Juárez Lyrik-Events und Workshops veranstaltet. Zusammen mit Alejandro Jacome leitet er derzeit den unabhängigen Verlag Cebollas Agrias, dessen Aufgabe es ist, alle zu veröffentlichen, die daran interessiert sind, ihr Werk, sei es visuelle oder geschriebene Kunst, zu teilen.

Spanisches Original:

Todo lo que vuela…

Todo lo que vuela / Cae y sangra
Lo que suena de escombro / Que hiere la y no lame
Lo que se ríe entre sangre
La que tiende mi vacío / De la que se miente cuando llega
Toda la cara
Toda la sana carga quiebra alma
La oculta canta meses / Que arrulla soberbio
Lo que mama y mata
Que fuma los besos
Agrieta lengua e incendio
Escupe y ama
O urde llantos bajo la mano
Todo lo que camina / Y sueña / Escribe y no lees
Todo el dolor y las ganas
Toda la mañana y un parpadeo a destiempo
Fuera de la cama derramada
Dentro del miedo y sonriendo / Al lado cuerpos alados
Bajo la sequía ebria medio año
Entramado / Era* sin viajera
Toda la voz ahora
Contra la pared esperando
Lo muerto que anda
Con el destino deshilado.

29.1.18

Zum Tode von Nicanor Parra


Zu Ehren des am 23.1.2018 im Alter von 103 Jahren verstorbenen Antidichters Nicanor Parra erschien im Feuilleton von Fixpoetry das Gedicht Me retracto de todo lo dicho und dessen Übersetzung Ich nehme alles Gesagte zurück (übertragen von Johannes Beilharz). Inzwischen ist Fixpoetry nicht mehr aktiv, so dass Übersetzung und Original hier wiedergegeben werden.

Nicanor Parra

Ich nehme alles Gesagte zurück

Bevor ich mich verabschiede
Habe ich ein Recht auf einen letzten Wunsch:
Großzügiger Leser
                   verbrenne dieses Buch
Es enthält nicht das was ich sagen wollte
Obwohl es mit Blut geschrieben wurde
Enthält es nicht das was ich sagen wollte.

Meine Lage könnte nicht trauriger sein
Ich wurde von meinem eigenen Schatten besiegt:
Die Worte rächten sich an mir.

Vergib mir Leser
Freundschaftlicher Leser
Daß ich nicht mit einer treuen Umarmung
Von dir Abschied nehmen kann:
Ich verabschiede mich von dir
Mit einem traurigen gezwungenen Lächeln.

Vielleicht bin ich nicht mehr als das
Aber höre dir meine letzten Worte an:
Ich nehme alles Gesagte zurück.
Mit der größten Bitterkeit der Welt
Nehme ich alles Gesagte zurück.

Aus dem Spanischen übertragen von Johannes Beilharz.

Pianosolo und weitere Gedichte in deutscher Übersetzung von Nicanor Parra sind hier zu finden.


Me retracto de todo lo dicho

Antes de despedirme
Tengo derecho a un último deseo:
Generoso lector
                quema este libro
No representa lo que quise decir
A pesar de que fue escrito con sangre
No representa lo que quise decir.

Mi situación no puede ser más triste
Fui derrotado por mi propia sombra:
Las palabras se vengaron de mí.

Perdóname lector
Amistoso lector
Que no me pueda despedir de ti
Con un abrazo fiel:
Me despido de ti
Con una triste sonrisa forzada.

Puede que yo no sea más que eso
Pero oye mi última palabra:
Me retracto de todo lo dicho.
Con la mayor amargura del mundo
Me retracto de todo lo dicho.

Aus: Nicanor Parra, Ejercicios respiratorios (1964-1966)

17.9.17

Zum Tode von John Ashbery


John Ashbery, Foto: Poetry Foundation

Zu Ehren des am 3.9.2017 verstorbenen großen amerikanischen Dichters John Asbhery erschien im Feuilleton von Fixpoetry das Gedicht Five Pedantic Pieces in Übersetzung von Johannes Beilharz und Originaltext. Da es Fixpoetry inzwischen nicht mehr gibt, wird die Übersetzung hier wiedergegeben. 

John Ashbery


Fünf pedantische Stücke

 

Eine Idee, die ich hatte und über die ich redete,

Wurde zu den Dingen, die ich tue.

 

Das Gedicht dieser Dinge nimmt sie auseinander,

Und ich zittere. Karger Winter, weniger verwundbar

Als der entleerte Sommer, die Nester der Worte.

 

Einige Stämme glauben, daß der Geist

Den abgeschnittenen Hand- und Zehennägeln innewohnt.

Sie sammeln ihre Toten eilig ein,

Bei Sonnenuntergang. Und dies wird

Einst ein vergessener Tag von vor drei Jahren sein:

Erstaunlicher Beweis für das Licht nach dem Tode.

 

Ein anderer Mensch. Die gelbe Backsteinmauer

Den ganzen Nachmittag über tiefer, stumpfer

Und eine Walzer singende Stimme, sentimentalen

Krimskrams fabrizierend -- Chaos, das er aushecken würde.

 

Und das kleine Hotel sah ordentlich aus

Und gut beleuchtet, im Dunkeln, auf dem flachen

Strand hinter den Brechern, steif, harmlos.

Und dich überrascht es, daß so etwas nicht sehr

Stabiles stehen bleibt, gefangen in unserem Mummenschanz.

 

Five Pedantic Pieces (aus: John Ashbery, As We Know, 1979)

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Johannes Beilharz

15.5.17

Paul Eluard: Ich liebe dich

Ich liebe dich

Ich liebe dich für alle Frauen, die ich nicht gekannt habe
Ich liebe dich für alle Zeiten, die ich nicht gelebt habe
Für den Geruch des weiten Meers und den Geruch des warmen Brots
Für den schmelzenden Schnee, für die ersten Blumen
Für die unschuldigen Tiere, die der Mensch nicht erschreckt
Ich liebe dich um zu lieben
Ich liebe dich für alle Frauen, die ich nicht liebe

Wer spiegelt mich besser als du, ich sehe mich so wenig
Ohne dich sehe ich nichts als eine wüste Weite
Zwischen einst und heute
Da sind alle diese Tode, die ich auf Stroh überwand
Ich konnte die Mauer meines Spiegels nicht durchbrechen
Ich musste das Leben Wort für Wort erlernen
Wie man vergisst

Ich liebe dich für die Klugheit, die nicht meine ist
Für die Gesundheit
Ich liebe dich gegen alles, was nur Illusion ist
Für dieses unsterbliche Herz, das nicht mir gehört
Du glaubst Zweifel zu sein und bist doch nur Vernunft
Du bist die große Sonne, die mir in den Kopf steigt
Wenn ich mir meiner sicher bin.

– Paul Eluard

(Übersetzung aus dem Französischen von Johannes Beilharz. Die Vorlage stammt aus Le phénix, 1951)

18.10.16

Das hermetische Haiku

Es ist verschlossen,
viermal verschlossen – Gefühl,
Gehör, Klang, Ort.

– Iself (© 2016)

Anmerkung
So ziemlich symptomatisch für das Schweigen dieses Blogs in den letzten Monaten.

4.7.16

Zu Ehren von Yves Bonnefoy

Neuer Beitrag bei Cross Over:

Das Gedicht Delphes du second jour in deutscher Übersetzung von Johannes Beilharz zu Ehren des am 1. Juli 2016 verstorbenen französischen Dichters Yves Bonnefoy erschien ursprünglich bei FixPoetry, das es inzwischen leider nicht mehr gibt..

Yves Bonnefoy

Delphi, zweiter Tag

   

Hier willigt die ängstliche Stimme ein,

Den einfachen Stein zu lieben,

Die Bodenplatten, die die Zeit unterwirft und erlöst,

Den Olivenbaum, dessen Kraft den Geschmack trockenen Steins hat.

 

Die Schritte an ihrem wahren Ort. Die ängstliche Stimme

Glücklich unter den Felsen der Stille,

Und das Unendliche, das unbestimmte Responsorium

Von Kuhglocken, Ufer oder Tod. Kein Erschrecken

Vor deinem hellen Abgrund, Delphi am zweiten Tag.

 

(Delphes du second jour)


Aus dem Französischen von Johannes Beilharz. Das Original stammt aus: Yves Bonnefoy, Hier régnant désert, 1959.

 Zu Ehren von Yves Bonnefoy, geboren am 24. Juni 1923 und verstorben am 1. Juli 2016.

12.5.16

30.4.16

Begegnungen mit Autos mit sommerlich heruntergelassenen Fenstern und hochpotenten Lautsprecheranlagen

Drei Haiku


Stampf stampf stampf stampf stampf
stampf stampf stampf stampf stampf stampf stampf
stampf stampf stampf stampf stampf

Dumpf dumpf dumpf dumpf dumpf dumpf
dumpf dumpf dumpf dumpf dumpf dumpf dumpf
dumpf dumpf dumpf dumpf dumpf

Döns döns döns döns döns
döns döns döns döns döns döns döns
döns döns döns döns döns

– Iself (© 2016)

Die warme Jahreszeit hat begonnen, die Autofahrer teilen wieder ihr dumpfes Gestampfe und Gedöns mit dem Rest der Menschheit.

18.4.16

Ein Haiku von Hiroshi Taniuchi

確かに後悔が一度ノックをした  

Das Bedauern hat
an meine Tür geklopft – ein
Mal, das ist sicher

– Hiroshi Taniuchi

(deutsche Übersetzung von Johannes Beilharz mit freundlicher Genehmigung des Autors)

26.2.16

Oliverio Girondo, Städtische Erscheinung

Stieg er aus dem Untergrund auf?
Fiel er vom Himmel?
Er war umgeben von Lärm,
verwundet,
schwer verletzt,
unbeweglich,
schweigend,
in die Knie gegangen vor dem Abend,
vor dem Unausweichlichen,
die Adern haftend
am Grauen,
am Asphalt,
mit seinem gefallenen Scheitel,
mit seinen Heiligenaugen,
ganz, ganz nackt,
fast blau vor so viel Weiß.

Sie redeten von einem Pferd.
Ich glaube, es war ein Engel.

(Aparición urbana)

Aus dem Spanischen übersetzt von Johannes Beilharz. Das Original wurde 1942 in dem Gedichtband Persuasión de los días veröffentlicht.

Der Dichter Oliverio Girondo (1891 Buenos Aires – 1967 ebenda) gehörte, wie die meisten seiner großen argentinischen Zeitgenossen, in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts zum Kreis um die literarische Zeitschrift Martín Fierro – u.a. erschien dort sein surrealistisches Manifest – und blieb unter ihnen den Idealen der argentinischen Avantgarde am meisten treu. Seine Dichtung, die sich durch gewagte Tropen, seltsame Rhythmen, Sprachspielereien, Humor und Ironie auszeichnet, wurde als Abenteuer der Sprache beschrieben. Im Alltäglichen sah er eine bewundernswerte und bescheidene Manifestation des Absurden.

Internationale Lyrik in deutscher Übersetzung

8.11.15

Spitzfindig

Der Weg
den du immer
gehst

ist
jedes Mal
ein neuer

– Iself (© 2015)

Ausgelöst von einem lyrischen Weinstück, das jemand anders über einen noch nie gegangenen Weg schrieb.

Wahrlich, so glaubet mir, es gibt keine noch nie gegangenen Wege. (Um es biblisch auszudrücken.)

20.6.15

Das Bolzen-Fibonacci

Bei
den
Nachbarn
läuft wieder
laute Musik, von
der hier selektiv ein dumpfes
Bolzen zu hören
ist. Zum Mit-
wummern
schön.
Seufz.

– Iself (© 2015)

Wieder mal die Wahrheit und nur die reine Wahrheit. Wenn schon Musik, dann doch lieber die eigene...

Das Silbenschema von Fibonacci-Gedichten: 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13 usw. Hier nach 8 wieder umgekehrt, so dass sich ein diamantförmiges Etwas ergibt.

20.1.15

Versuchte Übersetzung eines Gedichts von Charles Bernstein

Anmerkung des Übersetzers
Da dieses Gedicht, wie der aufmerksame Leser unschwer bemerken wird, stark verschlüsselt ist, bereitete seine Übertragung ins Deutsche große Schwierigkeiten. Daher kann diese Übertragung allerhöchstens als fragmentarisch gelten. Die Texte in eckigen Klammern sind nicht als Übersetzung, sondern als Anmerkung zu verstehen.
– Johannes Beilharz