Na ja, nennen wir’s ein
Leben.
– Richard Brautigan
A blog dedicated to literature in its multivarious forms and to other forms of art (visual, film, photography)
Na ja, nennen wir’s ein
Leben.
– Richard Brautigan
Die
Wahrheit
Für mich gibt es eine Zeile am
Himmel.
Ich sehe sie, ich schaue sie an;
ich kann sie nicht übersetzen,
sie ist verschlüsselt.
Ich verstehe sie mit meinem ganzen Körper;
aussprechen kann ich sie nicht.
– José Moreno Villa
Aus dem Spanischen übersetzt von Johannes Beilharz (© 2024). Aus: Diez siglos de poesía castellana, Hrsg. Vicente Gaos, Madrid 1975.
Der spanische Dichter, Übersetzer, Essayist und Maler José Moreno Villa (geb.
1884 in Málaga, gest. 1955 in Mexiko) studierte Chemie in Freiburg im Breisgau,
dann Geschichte in Madrid. Er arbeitete in Madrid als Bibliothekar und später
als Archivar. Nach Ausbruch des Bürgerkriegs übersiedelte er in die USA und
später nach Mexiko. Er war Mitglied der Dichtergruppe Generación del 27, zu der u.a. auch Federico García Lorca, Rafael
Alberti, Jorge Guillén and Vicente Aleixandre gehörten.
Spanisches Original:
La
verdad
Un renglón hay en el cielo
para mí.
Lo veo, lo estoy mirando;
no lo puedo traducir,
es cifrado.
Lo entiendo con todo el cuerpo;
no
sé hablarlo.
–
José Moreno Villa
– Raymond Chandler
Aus: The Lady in the Lake, 1943. Zitat übersetzt von Johannes Beilharz.
(A tale from a not so distant past)
Dedicated to Zoyâ Pirzâd
Morad had not arrived by the agreed time, was already fifteen minutes late.
She’d gone to the window umpteen times, pulled aside the curtain and looked out for him.
To avoid her mother’s suggestive glances and silence, she left the house and walked down the street to the public phone booth. Occupied by weighty and visibly sweating Mme Samadani, engaged in never-ending chitchat.
When her turn finally came, Morad’s mother had no clue where he was. Maybe he’d simply forgotten, she surmised with a cascade of laughter. This cascade of laughter was soon to be her mother-in-law. Provided, of course, that Morad could be forgiven for not showing up on time.
To top it all off, Morad had arrived when she returned, listening attentively to her mother’s detailed description of how to knit God knows what.
Things did not bode well for the planned movie outing.
They would miss the beginning of the film, and she hated to miss the beginning of a story.
In fact, even the time before the beginning was essential, because Morad would be able to buy popcorn and drinks for the two of them. Allowing them to enter when the lights were still on, allowing them to see the previews.
The whole world, including his cascading mother and her own mother, thought this man was a great catch.
But would he prove himself worthy ... at the right time?
– Johannes Beilharz (© 2023)
Author's note
Reading the book Le goût âpre des kakis (published by Zulma in Paris in 2009) by Iranian author Zoyâ Pirzâd, pictured above, inspired this story.
German version: Eine Kinoverabredung
Die Neueinstellung der zuvor bei FixPoetry veröffentlichten Gedichtübersetzungen schreitet fort.
Heute sind die Übersetzungen der Gedichte von Mark Strand (1934-2014, USA), Samuel Noyola (geb. 1965, Mexiko), James Schuyler und Louise Bogan (beide USA) hinzugekommen.
Sie sind auf der eigens erstellten Webseite zu lesen.
Ein belastetes Land:
Der Winter hat es mit seinen Waffen gezeichnet,
Dornenkleid war der Frühling.
Berge von Glimmer. Schwarze Ziegen.
Unter den schlafwandlerischen Hufen
Schimmert missbilligend der Schiefer.
Feststehende Sonne, angenagelt
An die riesige steinerne Narbe.
Der Tod denkt uns.
– Octavio Paz
Titel des spanischen Originals: Paso de Tanghi-Garu. Aus: Octavio Paz, Ladera Este, 1969. Ins Deutsche übertragen von Johannes Beilharz. Der Pass im Titel des Gedichts, auch Tang-e Ghārō geschrieben, befindet sich in Afghanistan an der Strecke von Dschalalabad nach Kabul.
Foto von Octavio Paz von Ricardo Salazar
– Iself (© 2022)
Was der Autor nach dem Ersinnen dieser kürzesten Ode aller Zeiten notierte:
Fiel mir vor ein paar Minuten ein, als ich bei Federico García Lorca über irgendwelche Oden stolperte.
Ist mir eigentlich komplett egal, was eine Ode ist.
Jedenfalls sind die Chancen dieses Meisterwerks, jemand anzuöden (wie dies bei Oden öfter vorkommt), eher gering.
Etwas ist in ein Gedicht
eingetreten, von dem ich weiß,
dass ich es schreiben muss, und
ich weiß nicht, wann, wie oder was
es ausdrücken wird. Wenn ich kann,
werde ich es zu dir hinführen.
Lass es von deinem Haar sprechen
oder der Sonnenflocke,
die auf deinem Fingernagel tanzt.
Aber vielleicht wird mir nicht immer
ganz in Erinnerung sein, wie ich dich jetzt sehe.
Ich habe den dunklen Klang
von etwas gehört, das mir in einen
Brunnen hineingefallen ist. Werde ich, wenn es
aufsteigt, erkennen, dass es diesem Moment entstammt?
– Gabriel Ferrater
Titel des katalanischen Originals Si puc, erschienen in: Gabriel Ferrater, Mujeres y días / Edición bilingüe, Seix Barral, Barcelona, 1979.
Aus dem Katalanischen übersetzt von Johannes Beilharz anlässlich des 100. Geburtstag seines Autors am 22.5.2022.
Copyright © der Übersetzung Johannes Beilharz 2022. Wiedergabe, Kopieren nur mit ausdrücklicher Genehmigung durch den Übersetzer.
Weitere Gedichte von Gabriel Ferrater in Übersetzung von Johannes Beilharz sind hier zu finden.
In the pitiless sky
these squeaky clean herds
A dull armpit
by Bashō & Schuyler & Iself
This haiku was written by Madlib based on input from James Schuyler – specific words from his poem The Dog Who Wants His Dinner (contained in The Crystal Lithium, published in 1972). Madlib appears to use words by haiku master Matsuo Bashō in generating its haiku. Ultimately, I myself can also claim some part of the authorship because I was the one who selected the Schuyler poem and the words to be used from it. How's that for collaboration across centuries and media?
At the castle gate there is a green hortensia. Green leaves, green flowers. When the leaves droop, I take a plastic jug and run for water. Queen Hortensia.
– Sarah Kirsch
Translation by Johannes Beilharz. Source: Sarah Kirsch, La Pagerie, dtv, 1984.
Translator's note
By calling the flower Queen Hortensia, the author appears to obliquely allude to Hortense de Beauharnais (1783-1837), queen consort of Holland and stepdaughter of Napoleon I.
Weißt du, den Tod gibt es nicht, sagte er zu ihr.
Ich weiß, ja, jetzt, nachdem ich tot bin, antwortete sie.
Deine zwei Hemden sind gebügelt und in der Schublade,
das einzige, was ich vermisse, ist eine kleine Rose.
– Yannis Ritsos
Übertragen von Johannes Beilharz. Titel des griechischen Originals: ΣΧΕΔΟΝ ΠΛΗΡΟΤΗΤΑ.
Internationale Lyrik in deutscher Übersetzung