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26.11.07

Deftige Worte von Goethe

Rezensent

Da hatt ich einen Kerl zu Gast,
Er war mir eben nicht zur Last;
Ich hatt just mein gewöhnlich Essen,
Hat sich der Kerl pumpsatt gefressen,
Zum Nachtisch, was ich gespeichert hatt.
Und kaum ist mir der Kerl so satt,
Tut ihn der Teufel zum Nachbar führen,
Über mein Essen zu räsonieren:
»Die Supp hätt können gewürzter sein,
Der Braten brauner, firner der Wein.«
Der Tausendsakerment!
Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent.

– Johann Wolfgang von Goethe

Anmerkung
Die letzte Zeile dieses Gedichts wird häufig zitiert. Ich hatte sie allerdings noch nie im Kontext des gesamten Gedichts gelesen. Tja, so sind sie manchmal, die Herren (Damen) Rezensenten.

18.9.07

Goethe & Schillers Schädel

Goethe fühlt sich, nach Ausgrabung von Schillers Schädel zwanzig Jahre nach dessen Tod, bewegt zu dichten

Oh hohe Stirn, edler Gedanken Hort,
oh tiefe Augenhöhlen, die ihr einst geschaut,
oh Kieferknochen, der du nur so kurz gekaut:
oh hohe Backenknochen und so fort,

euch hab ich heut aus diesem Grab gehoben:
der Geist verbleibt, der Körper ist zerstoben.

Johannes Beilharz (© 2003)

Anmerkung
Zu diesem Gedicht ließ ich mich 2003 hinreißen, als mir meine Tochter, die gerade zum Abitur “Kabale und Liebe” las, erzählte, dass Schiller, im Gegensatz zur geschönten öffentlichen Darstellung, nicht besonders gut aussah, und dass Goethe nach 20 Jahren den Schädel ausgraben ließ und ein Gedicht dazu machte.
Erinnert an diese Sache wurde ich neulich wieder durch einen Beitrag von Ursula Sautter im Time Magazine zum Thema: "Skull scratcher. Two centuries after a great German poet's death, a mystery over his remains is coming to a head".

23.3.07

Das Wort ist ein Fächer

Die Lyrikmail von heute brachte Goethe, und zwar etwas, das mich aus dem riesigen Goetheschen Werk anzublitzen scheint wie ein origineller kleiner Edelstein ...
Wink

Und doch haben sie recht, die ich schelte:
Denn, daß ein Wort nicht einfach gelte,
Das müßte sich wohl von selbst verstehn.
Das Wort ist ein Fächer! Zwischen den Stäben
Blicken ein Paar schöne Augen hervor.
Der Fächer ist nur ein lieblicher Flor,
Er verdeckt mir zwar das Gesicht,
Aber das Mädchen verbirgt er nicht,
Weil das Schönste, was sie besitzt,
Das Auge, mir ins Auge blitzt.

– Johannes Wolfgang von Goethe

6.3.07

Über einen Zeit- und Artgenossen

Der da?
Der schielt doch immer
mit dem einen Auge
auf unvergänglichen Ruhm
in den Hallen der literarischen
Recken à la Goethe
und Walter Scott
(und behält dreckige Witze
und Zoten dem
engsten Kreis vor),
während das andere,
im Schatten und
halb zugedrückt,
sehr genau beobachtet,
was sich da irgendwie,
irgendwo an Münze
ergattern lassen könnte.

– Leopold Schütteking (1874-1929)

Wer damit wohl gemeint war?