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9.11.23

Richard Brautigan – Endlich stimmen unsere Körper überein

 


Endlich stimmen unsere Körper überein.
Ich wette, du dachtest, das 
würde nie geschehen. Auch ich 
hielt es für unwahrscheinlich.
Eine angenehme Überraschung.

– Richard Brautigan

Originaltitel: “At Last Our Bodies Coincide”, aus Richard Brautigan, Rommel Drives On Deep Into Egypt (1970). Ins Deutsche übersetzt von Johannes Beilharz.

18.5.22

Gabriel Ferrater – Wenn ich kann

 


Wenn ich kann

Etwas ist in ein Gedicht 
eingetreten, von dem ich weiß, 
dass ich es schreiben muss, und 
ich weiß nicht, wann, wie oder was 
es ausdrücken wird. Wenn ich kann, 
werde ich es zu dir hinführen.
Lass es von deinem Haar sprechen 
oder der Sonnenflocke, 
die auf deinem Fingernagel tanzt.
Aber vielleicht wird mir nicht immer 
ganz in Erinnerung sein, wie ich dich jetzt sehe.
Ich habe den dunklen Klang 
von etwas gehört, das mir in einen 
Brunnen hineingefallen ist. Werde ich, wenn es 
aufsteigt, erkennen, dass es diesem Moment entstammt?

– Gabriel Ferrater

Titel des katalanischen Originals Si puc, erschienen in: Gabriel Ferrater, Mujeres y días / Edición bilingüe, Seix Barral, Barcelona, 1979.

Aus dem Katalanischen übersetzt von Johannes Beilharz anlässlich des 100. Geburtstag seines Autors am 22.5.2022. 

Copyright © der Übersetzung Johannes Beilharz 2022. Wiedergabe, Kopieren nur mit ausdrücklicher Genehmigung durch den Übersetzer.

Weitere Gedichte von Gabriel Ferrater in Übersetzung von Johannes Beilharz sind hier zu finden.



12.6.20

Ernst Stadler – In der Frühe


In der Frühe

Die Silhouette deines Leibs steht in der Frühe dunkel vor dem trüben Licht
Der zugehangnen Jalousien. Ich fühl, im Bette liegend, hostiengleich mir zugewendet dein Gesicht.
Da du aus meinen Armen dich gelöst, hat dein geflüstert »Ich muß fort« nur an die fernsten Tore meines Traums gereicht –
Nun seh ich, wie durch Schleier, deine Hand, wie sie mit leichtem Griff das weiße Hemd die Brüste niederstreicht ...
Die Strümpfe ... nun den Rock ... Das Haar gerafft ... schon bist du fremd, für Tag und Welt geschmückt ...
Ich öffne leis die Türe ... küsse dich ... du nickst, schon fern, ein Lebewohl ... und bist entrückt.
Ich höre, schon im Bette wieder, wie dein sachter Schritt im Treppenhaus verklingt,
Bin wieder im Geruche deines Körpers eingesperrt, der aus den Kissen strömend warm in meine Sinne dringt.
Morgen wird heller. Vorhang bläht sich. Junger Wind und erste Sonne will herein.
Lärmen quillt auf ... Musik der Frühe ... sanft in Morgenträume eingesungen schlaf ich ein.

– Ernst Stadler (1883-1914)

Quelle: Ernst Stadler, Der Aufbruch (1914)

Selbst heute noch oder wieder ist das schmale Werk von Ernst Stadler im Buchhandel erhältlich, z. B. bei Amazon.

24.5.20

Arrhythmie – ein Mikrogedicht von Ajo


Arrhythmie

Ich hasse die Liebe 
und hasse sie außerdem 
mit deinem Herzen.

✼ ❖ ✼ ❖ ✼ ❖ ✼ ❖ ✼ ❖ ✼ ❖ ✼ ❖ ✼ ❖ 

Aritmia

Odio el amor 
y además lo odio 
con tu corazón.

– Ajo (© 2004)

Übertragung ins Deutsche von Johannes Beilharz (© 2020)