A blog dedicated to literature in its multivarious forms and to other forms of art (visual, film, photography)
14.10.20
7.10.20
No views today
No views today,
what will my mother say?
No views –
I got the blues.
– Felix Morgenstern (© 2020)
Could easily be the beginning of a song, with a melody similar to that of “No milk today” by Herman’s Hermits, which inspired this ditty to some extent. Silly as it may seem, the number of views or likes something gets on the Internet has become extremely (and even monetarily) important for lots of people, so that no views may actually become a cause for the blues.
20.9.20
Yannis Ritsos - Vollständigkeit, beinahe
VOLLSTÄNDIGKEIT, BEINAHE
Weißt du, den Tod gibt es nicht, sagte er zu ihr.
Ich weiß, ja, jetzt, nachdem ich tot bin, antwortete sie.
Deine zwei Hemden sind gebügelt und in der Schublade,
das einzige, was ich vermisse, ist eine kleine Rose.
– Yannis Ritsos
Übertragen von Johannes Beilharz. Titel des griechischen Originals: ΣΧΕΔΟΝ ΠΛΗΡΟΤΗΤΑ.
Internationale Lyrik in deutscher Übersetzung
Warum Goggle eine beschissene Suchmaschine ist
Wollte ich doch in Goggle nach "Hirtenzuflucht" suchen.
Goggle, in seiner allwissenden und besserwisserischen künstlichen Intelligenz (oder doch eher Idiotie?) suchte für mich "Piratenzuflucht", ohne auch nur anzufragen, ob ich das haben wollte.
Wahrscheinlich, weil statistisch gesehen Millionen von Idioten, die "Hirtenzuflucht" eintippen, eigentlich "Piratenzuflucht" meinen.
Orwells Großer Bruder ist überall, schaut dir immer über die Schulter und spuckt dir ständig in die Suppe.
10.9.20
Polemic short ode to Rome
September 2020
The pines –
essential,
beautiful to look at,
peaceful,
friendly –
are dying,
while the dogs –
loud,
aggressive and
full of shit
(they usually leave behind everywhere) –
are thriving
– Iself (© 2020)
Notes
Apparently, there is a pest that is killing off the pines of Rome at an alarming rate. The photo was taken at Rome's Protestant Cemetery, an oasis of peace where dogs are not allowed, thank God.
Part of a volume called Disgruntled Poetics to be released in the near future.
25.8.20
Contemporary wisecracks
Anyone who's ever pouted in front of something on Instagram feels entitled to a career in modeling.
– Iself (© 2020)
Note
So, if you are model material (and even if you're not), start snapping pout selfies in front of structures everyone loves and post them on Instagram. If they have done it, you can do it, too!
22.7.20
Das Putzig-Haiku
21.6.20
Paul Zech – Die Häuser haben Augen aufgetan...
Die Häuser haben Augen aufgetan...
17.6.20
365 Days – 2020 movie
15.6.20
Allen Ginsberg – An Lindsay
An Lindsay
Vachel, die Sterne sind rausgekommen
Dämmerung liegt auf der Straße in Colorado
ein Auto kriecht langsam über die Ebene
im gedämpften Licht plärrt Jazz aus dem Radio
der Verkäufer mit gebrochenem Herzen zündet sich eine weitere Zigarette an
In einer anderen Stadt vor 27 Jahren
sehe ich deinen Schatten an der Wand
du sitzt in Hosenträgern auf dem Bett
die Schattenhand hält dir eine Pistole an den Kopf
dein Schatten fällt um und zu Boden
Paris 1958
– Allen Ginsberg
Das Original To Lindsay stammt aus Kaddish and Other Poems 1958-1960, erschienen 1961 bei City Lights Books in San Francisco. Übertragen aus dem amerikanischen Englisch von Johannes Beilharz. Das Gedicht bezieht sich auf Vachel Lindsay (1873-1931), einen zu Lebzeiten recht bekannten amerikanischen Dichter.
12.6.20
Ernst Stadler – In the early morning
In the early morning
The silhouette of your body is dark in the morning in front of the dim lightOf the curtained blinds. Lying in bed, I feel your face turned towards me host-like.
When you unwound yourself from my arms, your whispered “I must go” only reached the farthest gates of my dream –
Now I see, as if through a veil, your hand, as it lightly brushes the white shirt down your breasts ...
The stockings ... now the skirt ... Your hair gathered ... you’ve become a stranger, adorned for the day and the world ...
I open the door quietly ... kiss you ... you nod, distant already, a farewell ... and you are gone.
I hear, already in bed again, your gentle steps fade away in the staircase,
The morning is getting brighter. The curtain billows. Young wind and first sun want to enter.
Noise rises ... Early morning music ... sung gently into morning dreams, I fall asleep.
– Ernst Stadler (1883-1914)
From: Der Aufbruch, 1914, published shortly before the author died in World War I. Translated by Johannes Beilharz. The German original can be found here.
Ernst Stadler – In der Frühe
In der Frühe
Die Silhouette deines Leibs steht in der Frühe dunkel vor dem trüben LichtDer zugehangnen Jalousien. Ich fühl, im Bette liegend, hostiengleich mir zugewendet dein Gesicht.
Da du aus meinen Armen dich gelöst, hat dein geflüstert »Ich muß fort« nur an die fernsten Tore meines Traums gereicht –
Nun seh ich, wie durch Schleier, deine Hand, wie sie mit leichtem Griff das weiße Hemd die Brüste niederstreicht ...
Die Strümpfe ... nun den Rock ... Das Haar gerafft ... schon bist du fremd, für Tag und Welt geschmückt ...
Ich öffne leis die Türe ... küsse dich ... du nickst, schon fern, ein Lebewohl ... und bist entrückt.
Ich höre, schon im Bette wieder, wie dein sachter Schritt im Treppenhaus verklingt,
Bin wieder im Geruche deines Körpers eingesperrt, der aus den Kissen strömend warm in meine Sinne dringt.
Morgen wird heller. Vorhang bläht sich. Junger Wind und erste Sonne will herein.
Lärmen quillt auf ... Musik der Frühe ... sanft in Morgenträume eingesungen schlaf ich ein.
– Ernst Stadler (1883-1914)
Quelle: Ernst Stadler, Der Aufbruch (1914)
Selbst heute noch oder wieder ist das schmale Werk von Ernst Stadler im Buchhandel erhältlich, z. B. bei Amazon.
10.6.20
Tel Aviv On Fire
Spielfilm von Sameh Zoabi (Israel, 2018) mit Kais Nashef (Salam), Lubna Azabal (Tala), Yaniv Biton (Assi) und Maisa Abd Elhadi (Mariam) in den Hauptrollen.
Israel/Palästina, Gegenwart. Salam, ein charmanter 30-jähriger Palästinenser, der in Jerusalem lebt, arbeitet als Praktikant an der beliebten palästinensischen Seifenoper Tel Aviv On Fire, die zur Zeit des Sechstagekrieges (1967) spielt und in Ramallah produziert wird. Um das Studio zu erreichen, muss Salam jeden Tag einen israelischen Kontrollpunkt passieren. Dort macht er die Bekanntschaft des Kommandanten des Kontrollpunktes, Assi, dessen Frau ein großer Fan der Seifenoper ist. Assi übt Druck auf Salam aus, damit dieser das Ende der Sendung ändert und Israel-freundlicher macht. Salam seinerseits profitiert von Assis Ideen und steigt durch sie zum Drehbuchautor auf. Seine kreative Karriere nimmt einen steilen Aufstieg. Allerdings haben der israelische Armee-Oberst Assi und die palästinensischen Produzenten und Finanziers der Seifenoper völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, wie sie enden soll. Salam sitzt zwischen den Stühlen, löst das Dilemma aber letztendlich mit einem überraschenden Coup, der das Fortbestehen der Seifenoper sichert. Eine gelungene und außergewöhnliche Komödie mit ernsthaftem Hintergrund.
Erhältlich bzw. anzusehen u.a. bei Amazon.
5.6.20
René Schickele – The boy in the garden
The boy in the garden
I want to put my bare hands togetherand make them sink hard
as evening falls, as if they were lovers.
May bells ring at dusk,
and white veils of scent descend upon us,
as we are close together, listening to our flowers.
Tulips shine through the last glow of the day,
lilac blossoms spring from the bushes,
a bright rose melts on the ground...
We're all fond of each other.
Outside, through the blue night, we hear the muted striking of the hours.
– René Schickele (1883-1940)
English translation by Johannes Beilharz (© 2020).
German original | Other poems by René Schickele in English
René Schickele – Der Knabe im Garten
Der Knabe im Garten
Ich will meine bloßen Hände aneinander legenund sie schwer versinken lassen,
da es Abend wird, als wären sie Geliebte.
Maiglocken läuten in der Dämmerung,
und weiße Düfteschleier senken sich auf uns,
die wir eng beieinander unsern Blumen lauschen.
Durch den letzten Glanz des Tages leuchten Tulpen,
die Syringen quellen aus den Büschen,
eine helle Rose schmilzt am Boden...
Wir alle sind einander gut.
Draußen durch die blaue Nacht hören wir gedämpft die Stunden schlagen.
– René Schickele (1883-1940)
Aus: Menschheitsdämmerung, ein Dokument des Expressionismus, neu herausgegeben von Kurt Pinthus (1959), erstmals erschienen 1920.
Erstaunlicherweise sind im Buchhandel zur Zeit etliche Werke Schickeles erhältlich, z.B. über Amazon.