16.6.07

Muss man sowas haben?

Auch mit Der fliehende Berg (2006) beweise Ransmayr ein "in der deutschsprachigen Literatur unvergleichbares ästhetisches Formbewusstsein", ...
Headline zu einem Zeit-Artikel vom 15. Juni 2007 zum Thema Literatur: Böll-Preis für Ransmayr.

Unvergleichbares ästhetisches Formbewusstsein* – Wow! Liest sich krass thrillerartig! Muss ich doch gleich zum Regal rennen und meinen bisher einzigen Ransmayr entstauben. Und dann nichts wie in den Buchladen. Ja, Der fliehende Berg soll es sein. Diese fliehenden Berge darf man sich nicht entgehen lassen. Wenn sich schon irgendwelche Literarwissenschaftler derartig einzigartige und weltbewegende Alleinstellungsmerkmale aus den Fingern oder sonstwas saugen!

*Von anderen Literaturen – zum Beispiel der kirgisischen, walisischen, wallachischen, kymrischen und uigurischen – ist mir das selbstverständlich altbekannt ... und sowas von aufregend.

15.6.07

Randi's heart-rending plea

Randi wrote today! Do I know Randi? I don't think so. But she's taking a particular interest in me, and she's a nice pretty girl. From Russia no less! Oh joy, oh how I'm flattered!

Her e-mail address: fsfiuqafchv@email.ru

Her message:
Do not ignore me please,
I found your email somewhere and now decided to write you.
Let me know if you do not mind. If you want I can send you some pictures of me.
I am a nice pretty girl. Don't reply to this email.
Email me direclty at drandi034@bestvisiongroup.info

12.6.07

Rilke oder die Idylle der undeutlichen Erkenntnis


Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz

Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz,
an dem wir reiften, da wir mit ihm rangen;
du großes Heimweh, das wir nicht bezwangen,
du Wald, aus dem wir nie hinausgegangen,
du Lied, das wir mit jedem Schweigen sangen,
du dunkles Netz,
darin sich flüchtend die Gefühle fangen.

Du hast dich so unendlich groß begonnen
an jenem Tage, da du uns begannst, -
und wir sind so gereift in deinen Sonnen,
so breit geworden und so tief gepflanzt,
daß du in Menschen, Engeln und Madonnen
dich ruhend jetzt vollenden kannst.

Laß deine Hand am Hang der Himmel ruhn
und dulde stumm, was wir dir dunkel tun.

– Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Nach Kafka – kühl und hart – kommt wieder mal Rilke, sanft und weich. In dieses Gedicht kann man hineingreifen wie in eine wohlig zergehende Knetmasse. Zieht man die Finger wieder heraus, stellt man fest, dass man nichts in der Hand hat außer einem verhallten Wohlklang von Sonnen und Madonnen und auf der Haut noch das Nachgefühl von etwas unendlich Schwummrigem.

10.6.07

Kafka / Kühl und hart


Ein Gedicht von Franz Kafka (1883-1924) – der ja weniger für Lyrik bekannt ist –, das ihn ohne Zweifel in das Umfeld des Expressionismus stellt.

Kühl und hart

Kühl und hart ist der heutige Tag.
Die Wolken erstarren.
Die Winde sind zerrende Taue.
Die Menschen erstarren.
Die Schritte klingen metallen
Auf erzenen Steinen,
Und die Augen schauen
Weite weiße Seen.

In dem alten Städtchen stehn
Kleine helle Weihnachtshäuschen,
Ihre bunte Scheiben sehn
Auf das schneeverwehte Plätzchen.
Auf dem Mondlichtplatze geht
Still ein Mann im Schnee fürbaß,
Seinen großen Schatten weht
Der Wind die Häuschen hinauf.

Menschen, die über dunkle Brücken gehn,
vorüber an Heiligen
mit matten Lichtlein.

Wolken, die über grauen Himmel ziehn
vorüber an Kirchen
mit verdämmernden Türmen.
Einer, der an der Quaderbrüstung lehnt
und in das Abendwasser schaut,
die Hände auf alten Steinen.

(Aus einem Brief Kafkas vom 9. November 1903, in dem er als Zwanzigjähriger seinem Schulfreund Oskar Pollak von "einigen Versen" schreibt, die er "in guten Stunden lesen" möge.)

29.5.07

Herr Heine schneuzt und spiegelt sich in der Elbe

Dass auch große Dichter der Vergangenheit nichts von politischer Korrektheit wussten (und vor blöden und kläglichen Pauschalurteilen nicht zurückschreckten), demonstriert dieser Schneuzer von Heinrich Heine:

Himmel grau und wochentäglich!
Auch die Stadt ist noch dieselbe!
Und noch immer blöd und kläglich
Spiegelt sie sich in der Elbe.

Lange Nasen, noch langweilig
Werden sie wie sonst geschneuzet,
Und das duckt sich noch scheinheilig,
Oder bläht sich, stolz gespreizet.

Schöner Süden! wie verehr ich
Deinen Himmel, deine Götter,
Seit ich diesen Menschenkehricht
Wiederseh, und dieses Wetter!

27.5.07

Zum Maiausklang ...

noch ein Haiku –
Mai. Blühender Holzapfel.
Atme nicht. Schnee
fällt beim geringsten Hauch.
– Viktar Licvinau

Ins Deutsche übersetzt von Johannes Beilharz.

Weißrussisches Original und englische Version.

26.5.07

Finally rich!!!

Like everybody else, I love that early morning mail that tells me I've won in a lottery I never knew about. It restores my faith in that benevolent superior being who enters all the good people in His/Her various lotteries!

Received from: mom2tripletts@cox.net

Purported to be from: UK LOTTERY GAME

Message:

You have therefore been approved to claim a total sum of £516,778.00 (Five hundred and Sixteen thousand,seven hundred and seventy eight pounds sterling only)
To file for your claim, please kindly provide the following informations and send it to our Fiduciary Agent who shall clear you as a winner.
(1)FULL NAMES (2)DATE OF BIRTH(3)SEX (4)MARITAL STATUS(5)CONTACT ADDRESS (6)PHONE NUMBERS(7)OCCUPATION
Mr Peter Taylor(CLAIMS AGENT)
Email:agentpetertaylor12@yahoo.co.uk
Upon receipt of the duly requested datas,he shall send to you the contact information of the paying Office.
Yours faithfully,
Mrs. Lucy Baines
ONLINE SUPERVISOR
Thanks so much, Agent Peter and Mrs. Baines! Also for your kind plea for two new urgently needed English plurals (informations and datas). That was long overdue. Not to mention thanks for the biblical therefore leading into this stroke of pure luck.

PS:
I wonder what would happen if you responded to agentpetertaylor12@yahoo.co.uk (every agent would be proud to have such an official-looking e-mail address).

I can only surmise that
  1. you might get a friendly e-mail asking you for a transfer of funds as up-front processing fees before you receive the millions you've won, or
  2. you might get tons more of lovely offers as your e-mail address has been verified as being functional and spam-worthy.

25.5.07

Augen in der Großstadt

Wenn du zur Arbeit gehst
am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
da zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Millionen Gesichter:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider -
Was war das? vielleicht dein Lebensglück...
vorbei, verweht, nie wieder.

Du gehst dein Leben lang
auf tausend Straßen;
du siehst auf deinem Gang, die
dich vergaßen.
Ein Auge winkt,
die Seele klingt;
du hasts gefunden,
nur für Sekunden...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider;
Was war das? kein Mensch dreht die Zeit zurück...
Vorbei, verweht, nie wieder.

Du mußt auf deinem Gang
durch Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Feind sein,
es kann ein Freund sein,
es kann im Kampfe dein
Genosse sein.
Er sieht hinüber
und zieht vorüber ...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider.
Was war das?
Von der großen Menschheit ein Stück!
Vorbei, verweht, nie wieder.

– Kurt Tucholsky (1890-1935)

Nachbemerkung
Dem ist nichts hinzuzufügen. Bei ähnlichen Gedankengängen habe ich mich im Gewühl der Stadt und der Zeit selbst oft ertappt.
Wieder mal eine Gabe, die ich der täglichen Lyrikmail von Gregor Koall verdanke.

21.5.07

Hab Sonne im Büro

Die Sonne grellt zum Fenster hinein
und macht den armen Augen Pein

Mit Hilfe motorischer Lamellen
ist dieses Übel abzustellen

Wo zuvor Landschaft und Himmel zu sehen waren
Zeigen jetzt türkise Balken solides Gebahren

– Felix Morgenstern