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11.1.24

Perlen literarischer Prosa I


“Die kleine Blondine an der Telefonanlage spitzte ein muschelförmiges Ohr und lächelte ein kleines flauschiges Lächeln. Sie wirkte verspielt und eifrig, aber nicht sehr selbstsicher, wie ein neues Kätzchen in einem Haus, in dem man sich nicht viel aus Kätzchen macht.”

– Raymond Chandler

Aus: The Lady in the Lake, 1943. Zitat übersetzt von Johannes Beilharz.

16.12.23

Aus den magnetischen Feldern

 


“Das unermessliche Lächeln der ganzen Erde hat uns nicht genügt: wir brauchen noch größere Wüsten, Städte ohne Vororte und tote Meere.”

– André Breton & Philippe Soupault

Ein Zitat aus Les Champs magnétiques der Surrealisten André Breton und Philippe Soupault, verfasst 1919 unter Anwendung der von den beiden Autoren erfundenen Methode des automatischen Schreibens. 

Das Zitat hat etwas annähernd Prophetisches – wenn Klimawandel und Umweltvernichtung fortschreiten wie bisher, bekommen wir wohl in absehbarer Zukunft das, was sich die Autoren da so beschwingt automatisch gewünscht haben.

Zitat übersetzt und Nachbemerkung von Johannes Beilharz.

Der oben abgebildete Buchdeckel ist der einer Neuveröffentlichung bei Poésie / Gallimard von 1971.

18.10.16

Das hermetische Haiku

Es ist verschlossen,
viermal verschlossen – Gefühl,
Gehör, Klang, Ort.

– Iself (© 2016)

Anmerkung
So ziemlich symptomatisch für das Schweigen dieses Blogs in den letzten Monaten.

24.4.16

Ezra Pound, Harry Mathews, César Vallejo, Amy Newman


Gedichtübersetzungen, die 2016 bei Cross Over im Feuilleton von FixPoetry erschienen.

Die Rubrik wurde herausgegeben und übersetzt von Johannes Beilharz.

FixPoetry wurde inzwischen aus Gründen mangelnder Finanzierung eingestellt.

Nach und nach werden die dort ursprünglich veröffentlichten Übersetzungen hier erneut ins Internet gestellt.

Neuerdings gelesene Gedichte und ihre Abhaken

Poetry bores me.
– Barbara Guest
✔ fängt mit aufgeblähten rhetorischen Fragen an – ein Nadelstich & sie zerplatzen
✔ schon bei der ersten Zeile kommt heftiges Gähnen
✔ aufgewärmtes Gedanken- und Gefühlsgut von ca. 1 Million anderer Gedichte
✔ aktueller Modeartikel, schnoddrig-nihilistische Machart
✔ oh nein – über Liebe & Tod
✔ oh nein – über Mond & Sehnsucht
✔ oh nein – akademisches Geschwafel eingeleitet von prätenziösem Rilke-Zitat
✔ unnatürliche Beobachtungen so notwendig wie die Faust aufs Auge
✔ Schweigen in der Natur (wäre es doch beim Schweigen geblieben!)
✔ Foto einer Birke weitaus interessanter als das begleitende Gedicht über die von der Birke ausgelösten beglückten & unbeglückten Gefühle & Schwelgereien
✔ Supergähn nach zweieinhalb Zeilen – wie lang geht das noch? Über drei Seiten? Sprung zur letzten Zeile, die das unsägliche Wort unausgesprochen enthält – oder war’s das unausgesprochene Wort unsäglich?
✔ Was sich Delmore Schwartz vielleicht als Kind einmal gedacht haben könnte & die Dichterin mit viel Aufwand & Blabla aus sich herausgewürgt hat
✔ oh nein – über Wolken & das Hintreiben der Zeit
✔ da treibt es jemand arg mit weit hergeholten Adverb- und Adjektivkombinationen
✔ das will originell sein & weist darauf hin, dass der Dichter bisher kaum etwas gelesen hat
✔ Humor auf Kurzhaardackelfußniveau
✔ affektierte lyrische Atemlosigkeit ausgelöst durch das Gekritzel von Cy Twombley im Museum
✔ eindeutig celangehaucht, aber saccharinrosa
✔ schon beim Wordsworth-Zitat verließen sie mich
✔ ein spanisches Gedicht der Art mit vielen unnötigen Adjektiven, so à la gerundeter Kreis
✔ Haiku-ähnliches Ziehen von bereits tausendfach erlegten Schlüssen

– Iself

7.7.15

V. R. Lang, Frank O'Hara, Gábor Gyukics, Pilar Rodríguez Aranda


Die neuesten Gedichtübersetzungen bei Cross Over im Feuilleton von FixPoetry.

FixPoetry wurde wegen mangelnder Finanzierung eingestellt. 

Die dort veröffentlichten Gedichtübersetzungen werden nach und nach wieder hier ins Internet gestellt.

Deutsche Übersetzungen vieler Gedichte aus unterschiedlichen Literaturen sind hier zu finden.

22.1.15

Neue Beiträge in Cross Over

Die neuesten Beiträge in Cross Over im Feuilleton von Fixpoetry:

José Emilio Pacheco (Mexiko) - Am Ufer des Ganges
Louise Bogan (USA) - Nacht
James Schuyler (USA) - Prozession
Samuel Noyola (Mexiko) - Die Fabel von Messer und Mond


Cross Over - Gedichte aus vielen Ländern der Welt, herausgegeben und übersetzt von Johannes Beilharz.

Cross Over Archiv mit sämtlichen Beiträgen

Internationale Lyrik in deutscher Übersetzung

Hinweis:

FixPoetry wurde wegen mangelnder Finanzierung eingestellt. 

Die dort veröffentlichten Gedichtübersetzungen werden nach und nach wieder hier ins Internet gestellt.

Deutsche Übersetzungen vieler Gedichte aus unterschiedlichen Literaturen sind hier zu finden.

20.1.15

Versuchte Übersetzung eines Gedichts von Charles Bernstein

Anmerkung des Übersetzers
Da dieses Gedicht, wie der aufmerksame Leser unschwer bemerken wird, stark verschlüsselt ist, bereitete seine Übertragung ins Deutsche große Schwierigkeiten. Daher kann diese Übertragung allerhöchstens als fragmentarisch gelten. Die Texte in eckigen Klammern sind nicht als Übersetzung, sondern als Anmerkung zu verstehen.
– Johannes Beilharz

13.9.13

Yannis Ritsos: Danke


Danke

Du hörtest deine Stimme sagen: Danke –
(so unerwartet, stumme Natürlichkeit) – jetzt war’s dir gewiss:
ein großes Stück Ewigkeit gehörte dir.

– Yannis Ritsos (1909-1990)

Ins Deutsche übertragen von Johannes Beilharz (© 2013)

[Titel des griechischen Originals: Ευχαριστία. Aus: Ritsos in Parenthesis, Princeton University Press 1979]

3.9.13

Ein gutes Gedicht kann warten

Und ein schlechtes auch.

Ja, man könnte sogar sagen,
dass es gar nichts schadet,
wenn ein schlechtes Gedicht
sehr, sehr lange – vielleicht
sogar ewig – wartet.

Aber was ist schon gut
und was ist schlecht
in Sachen Gedichten!

Da gehen sowohl die lyrischen
als auch die unlyrischen
Meinungen gewaltig auseinander.

Manche sagen gar,
dass ohne Reim und Jamben
oder Gamben ein Gedicht
gar nichts war.

Ganz allgemein könnte man
jedoch sagen, dass sich
die meisten Gedichte
durch viel Warten auszeichnen –

viel Warten auf Publikum.


– Iself (© 2013)

Ausgelöst wurde dieses Gedicht – mit dem übrigens kein allzu zähes Ringen um Worte und Verse verbunden war – durch einen Artikel im Schwarzwälder Boten vom 1.9.2013 über die 4. Literaturtage Nordschwarzwald. Die Überschrift des Schwabo-Artikels beruht auf einem Zitat des an den Literaturtagen teilnehmenden Reiner Kunze. Im Zusammenhang des Artikels:
Nun ist moderne Lyrik bekanntlich keine Gattung, die man so im Vorbeigehen mal mitnimmt und schnell konsumiert. So wie sie dem Autor im Allgemeinen ein zähes Ringen um Worte und Verse abnötigt, stellt sie an das Lesepublikum erhöhte Anforderungen an seine Interpretationsfähigkeit. Da macht auch die Lyrik Kunzes keine Ausnahme. Sich dessen bewusst, ermunterte er die Gäste, ungeniert die Lesung von Texten ein zweites Mal einzufordern. Wenn sich dem Lesepublikum ein Werk nicht sofort erschließt, ist das jedenfalls unproblematisch, denn, so Kunze, "ein gutes Gedicht kann warten".

23.7.13

Nietzsche / Wohl bin ich ein Wald

Wohl bin ich ein Wald und eine Nacht dunkler Bäume: doch wer sich vor meinem Dunkel nicht scheut, der findet auch Rosenhänge unter meinen Zypressen.

– Friedrich Nietzsche

Dieses Zitat stammt aus dem Tanzlied in Also sprach Zarathustra (1883–1885).

3.7.13

Franz Kafka zum 130. Geburtstag

Prometheus

Von Prometheus berichten vier Sagen: Nach der ersten wurde er, weil er die Götter an die Menschen verraten hatte, am Kaukasus festgeschmiedet, und die Götter schickten Adler, die von seiner immer wachsenden Leber fraßen.
Nach der zweiten drückte sich Prometheus im Schmerz vor den zuhackenden Schnäbeln immer tiefer in den Felsen, bis er mit ihm eins wurde.
Nach der dritten wurde in den Jahrtausenden sein Verrat vergessen, die Götter vergaßen, die Adler, er selbst.
Nach der vierten wurde man des grundlos Gewordenen müde. Die Götter wurden müde, die Adler wurden müde, die Wunde schloss sich müde.
Blieb das unerklärliche Felsgebirge. – Die Sage versucht das Unerklärliche zu erklären. Da sie aus einem Wahrheitsgrund kommt, muss sie wieder im Unerklärlichen enden.

– Franz Kafka

10.12.12

Richard Brautigan / Der alarmfarbene Schatten einer verschreckten Ameise

Der alarmfarbene Schatten einer verschreckten Ameise

Der alarmfarbene Schatten einer verschreckten Ameise will dein Freund sein, will alles wissen über deine Kindheit, will zusammen mit dir weinen, will bei dir einziehen und mit dir leben.

Richard Brautigan (1935-1984)

Aus dem Amerikanischen übertragen von Johannes Beilharz (© 2012)

Weitere Gedichte von Richard Brautigan: Kritischer Dosenöffner

5.12.12

Richard Brautigan / Restaurant


Restaurant

Zerbrechlich, verblassend, 37,
trägt ihren Ehering wie in Trance
und sieht vor sich hinab in eine leere Kaffeetasse,
als blicke sie in den Schlund eines toten Vogels.
Das Abendessen ist vorbei. Ihr Mann ist auf der Toilette.
Er wird bald zurückkommen, und dann ist sie dran
mit dem Gang zur Toilette.

Richard Brautigan (1935-1984)

Aus dem Amerikanischen übertragen von Johannes Beilharz (© 2012)

13.9.12

13.7.12

Kafka zum 119. Geburtstag

Ich bin ein Käfig auf der Suche nach einem Vogel.
(Franz Kafka)

Ein kleiner Beitrag zum Jubiläum von Franz Kafka, der vor 10 Tagen seinen 119. Geburtstag gefeiert hätte. Es ist kein Originalzitat, sondern eine Rückübersetzung aus dem Englischen.

18.5.12

Freitag, vor Feierabend

Vor den Fenstern das Konzert
für einen Blattbläser, zwei Sägen
und drei Motoren von F.A. Stihl
in Kreisch-dur.

– Iself (© 2012)

Nachbemerkungen

Präzise und zeitnahe poetische Aufzeichnung der mich gestern umgebenden Realität.

Ursprünglich hatte ich als Tonart Kreisch-moll genannt, doch hat – jeder wird mir beistimmen – der Lärm von Mororsägen einfach nicht das Traurige, das man generell mit moll assoziiert.

17.5.12

Gestern gekauft

rote und grüne Tafeläpfel,
geeignet für schwarze,
weiße, gelbe und rote
Tafelbesitzer

Sie haben die richtige Form
entsprechend der richtigen Norm

Hurra!

– Iself (© 2012)

PS: Was gibt’s eigentlich außer Tafeläpfeln noch für Äpfel? Mostäpfel, Falläpfel? Im Großen und Ganzen scheint der Zusatz “Tafel” eher überflüssig, da man die Äpfel ja wohl auch mitnehmen und irgendwo anders essen darf als am Tisch.
Wie auch der Zusatz “Land” beim Landschwein überflüssig ist. (Oder gibt es tatsächlich heutzutage Stadtschweine?)
Oder der Zusatz “Land” beim Ei. Außer es handelt sich um ein menschliches Landei.

5.5.12

Sekundäres Haiku

So viele blitzar-
tige Erkenntnisse wie
in Haiku gibt’s nicht.

– Iself (© 2012)

30.3.12

Der blinde Gott

Ein Vermerk

Ein gewisser (und daher eher ungewisser) Jessiersky, ehemaliger Bordellbesitzer und nun arriviert, will einen Hundezuchtverein gründen, für den er bereits einen Namen hat: "Der blinde Gott". Ob das der Bezirksvorsteher so akzeptieren wird, ist fraglich. Jedenfalls ist er momentan in Urlaub, in Malaysia, soweit ich weiß, so dass die Sache mit Sicherheit noch eine Weile Aufschub hat. Im Bedarfsfalle muss dringend entsprechend reagiert werden.

Gez. Untermeyer

– Johannes Beilharz (© 2012)

Anmerkung
Diese Winzigkeit treibt ihr Spiel mit Franz Kafka (Auslöser waren mehrere Wikipedia-Artikel über Kurzgeschichten von F. K., z.B. der über Blumfeld, ein älterer Junggeselle) und Alexander Lernet-Holenia. So gibt es bei L.-H. in einem Roman einen Herrn Jessiersky, und "Der blinde Gott" ist eine Erzählung von L.-H. über einen Hund und seinen Herrn. Der Bogen zwischen Kafka und Lernet-Holenia spannt sich durch den Gebrauch einer bestimmten Art von Deutsch, das man fast als Beamtendeutsch bezeichnen könnte. Deshalb auch der Beamtentonus der obigen Geschichte und ihre Vorgabe, ein "Vermerk" zu sein, unterzeichnet von einem Unterteufel namens Untermeyer.