4.5.07

Rilke berührt nichts

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
Sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.

– Rainer Maria Rilke (verfasst 1898)

Frivole Nachfrage
Und wie bitte, Herr Rilke, soll sich unsereins nun im Leben verhalten, ohne was zu berühren? Trauriges Fazit: Wir sind alle Mörder.

3 comments:

Unknown said...

'Yet each man kills the thing he loves'?
Précisément.

Iself said...

Thanks for commenting, Susanna.

However, I do not quite know how your comment connects.

Are you referring to the last line, where Rilke says, "Ihr bringt mir alle die Dinge um." ("You are killing all the things.")?

Unknown said...

Ja, eigentlich ein Verweis auf Wildes 'The Ballad of Reading Jail', ein direktes Zitat, die Strophe lautet:

Yet each man kills the thing he loves,
By each let this be heard,
Some do it with a bitter look,
Some with a flattering word,
The coward does it with a kiss,
The brave man with a sword!

Damit wollte ich dein Fazit und somit auch die letzte Zeile von Rilke kommentieren, übereinstimmen - und schön vom Thema abschweifen. Unvermeidlich also, das Töten. Der Wilde geht noch weiter: zwischen dem Mörder und dem Richter gibt es oft nur den Unterschied, dass der andere ein doppelter Verbrecher ist.