19.3.11

The Red Wheelbarrow

so much depends
upon

a red wheel
barrow

glazed with rain
water

beside the white
chickens.

– William Carlos Williams

Deutsche Übertragung

Eloge an WCW

Was von dem roten
Schubkarren und

den weißen Hühnern
abhängt, konnte noch

nicht definitiv geklärt
werden. Was Regen

anrichten kann, das ist
hinreichend bekannt.

– Johannes Beilharz (© 2011)

Bezieht sich auf das häufig zitierte Gedicht von William Carlos Williams, The Red Wheelbarrow (Der rote Schubkarren).

Pijushakanti Sarkar

Ein veristisches Gedicht*

Hier kommt nichts vor, das es nicht
in unmittelbarer Umgebung gibt.

Die Stimme des Pijushakanti Sarkar
aus Bengalen wird herbeigetragen

auf mp3 und Laptop. Eine elektrische
Lampe aus gebürstetem Edelstahl

mit Mattglasschirm steht unbeleuchtet
dabei. Die Leuchtkraft durch die Fenster

reicht trotz der gesättigten Grauheit
da draußen aus. Die Sonne

ist unsichtbar. Dank Wissenschaft
wissen wir jedoch, dass sie trotzdem

da ist. Stühlerücken unter mir,
Bewegungen, Gänge, Gespräch.

Nichts Unruhiges, die beiden Kinder
kreischen nicht, die Eltern schimpfen

nicht. Da draußen ist auch ein Nieseln,
in das ich in Kürze hinaus muss.

Hier kommt nichts vor, das es nicht
in unmittelbarer Umgebung gibt.

Alles ist eine Frage von Beziehungen,
des in Bezug Setzens. Oder auch nicht.

– Johannes Beilharz (© 2011)

*Veristische Gedichte (gemäß meiner Erfindung) bedienen sich ausschließlich bei dem in nächster Nähe Befindlichen. Sie sind darin Lebensmittelläden ähnlich, in denen nur Produkte aus der unmittelbaren Umgebung angeboten werden. Sie bedienen sich auch ein bisschen bei William Carlos Williams und dessen “No ideas but in things” (oder vielleicht auch bei den Meistern der Reluktanz, deren abgekürztes Diktum “No ideas” oder vielleicht gar “No idea” zu lauten scheint).

8.1.11

Spielende rollende Augen

Die Augen, jene wie es nun sei,
Sie spielen im Prinzip auch verspielt!
Sie rollen!
Aristophanes, staune und flieh!
Welch göttliches Glück!
Augen!
Spielende Augen für Aristophanes.

– Iself & Poetron

Zur Genesis dieses Gedichts
Wenn einem selbst nichts einfällt, kann man sich an Poetron wenden, und der dichtet! Gefüttert habe ich ihn mit den Wörtern Aristophanes, Auge, spielen, verspielt. Und er hat was daraus gemacht, findet ihr nicht?
Neulich wurde ich zur Teilnahme an einem Workshop aufgefordert, der einem beibringt, Gedichte zu schreiben, die einen umhauen. Auf die Teilnahme musste ich leider verzichten, weil die Veranstaltung in Illinois oder Iowa oder sonstwo im Mittleren Westen stattfindet. Aber lernen würde ich das natürlich schon gern. Man denke nur: Gedichte, die einen umhauen! Sowas hab ich schon lang nicht mehr gelesen.

2.1.11

Die Uhr des Heiligen Panda

(Etwas aus dem Spanischen zur Erheiterung im neuen Jahr)

Die Uhr des Heiligen Panda

                       Sie geht nicht!

Arme Uhrmacherin, die du diese Uhr gebaut hast –

                    Was hast du nur mit dieser Uhr gemacht?

                          Ich denke an diese Uhr an den verschiedensten Orten

              an Uhrorten

                       die nicht gehen

– Justinián Belisar

aus dem Spanischen übersetzt von Johannes Beilharz (© 2011)

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El reloj del Santo Panda

                       ¡no anda!

Pobresita relojera que hiciste este reloj

                    ¿Qué has hecho con este reloj?

                          Sigo pensando en este reloj en lugares muy diversos

              En lugares de reloj

                       no andando

– Justinián Belisar (© 2002)

Anmerkung des Übersetzers
Über Justinián Belisar, den Autor dieses Gedichts, ist mir nichts bekannt, außer dass er aus Argentinien stammt. Er schickte mir 2002 per E-Mail mehrere Gedichte für mein Literaturforum mit der Bitte, sie dort zu veröffentlichen, reagierte danach aber auf keine meiner Mails.
In seinem ersten und einzigen Schreiben sagte er lediglich, dass er sich außerhalb des aktuellen Literaturbetriebs sieht, der ihn ankotzt, und dass er deshalb in seinem Heimatland regelmäßig nicht veröffentlicht wird.

29.12.10

A couch in New York


Ever feel like watching a lackluster romantic comedy? Well, you never know, once in a while you might. For example, to watch some stars you liked in other films.

This was the reason I recently checked out Un divan à New York (1996, German title Eine Couch in New York, i.e. A Couch in New York) with Juliette Binoche – co-star of Johnny Depp in Chocolat (2000) – and William Hurt, who had impressed me in The Accidental Tourist (1988).

Hurt plays a New York shrink on the brink of a nervous breakdown who decides he needs a change of scenery and trades homes with Binoche, who is an I already forgot what in Paris. Binoche's chaotic place in France's capital is too much of a change of scenery for Hurt (who gets attacked by pigeons, broken pipes and a jealous ex-lover of Binoche's), so he returns home after a few days, only to find that Binoche has taken over treatment of his patients, committing numerous psychology no-nos in her consultations. Strangely though, these broken rules render happy patients, something the good doctor has failed to achieve in all his years as a famous psychotherapist. He becomes a patient on his own couch...

That's how this love story with a complete lack of chemistry begins. But no, wait – it's already begun in Hurt's head while reading Binoche's intimate diary at her place (it looked rather like one of the paperback poetry books from Gallimard). If that ain't another no-no.

How about the acting qualities displayed here? Well, Hurt walks around with a permanently insulted look on his face – could also be a liver problem or constipation –, while Binoche comes off as a likeable airhead. I supppose that's meant to be French esprit.

So, if you're in the right mood for tepid romance and stuff borrowed from perhaps a dozen other movies (American and French), go ahead and watch this one.

24.12.10

Christian Morgenstern / Winternacht

Ein Wintergedicht zu den Feiertagen und zum Jahresende ...

Winternacht

Flockendichte Winternacht ...
Heimkehr von der Schenke ...
Stilles Einsamwandern macht,
daß ich deiner denke.

Schau dich fern im dunklen Raum
ruhn in bleichen Linnen ...
Leb ich wohl in deinem Traum
ganz geheim tiefinnen? ...

Stilles Einsamwandern macht,
daß ich nach dir leide ...
Eine weiße Flockennacht
flüstert um uns beide ...

Christian Morgenstern (1871-1914)

Für die Kenntnis dieses Gedichts danke ich Lyrikmail.

10.11.10

Octavio Paz: In den Gärten der Lodi

In das einmütige Blau
Entstoben den Kuppeln der Mausoleen
– Schwarz, zusammengedrängt, nachdenklich –
Auf einmal
                   Vögel

– Octavio Paz

Aus: Ladera este, Mexico City 1969. Übertragung aus dem Spanischen von Johannes Beilharz (© 2010)

Die Lodi-Gärten sind ein Park in Delhi, Indien. Benannt sind sie nach den Lodi, einer paschtunischen Dynastie, die im 16. Jahrhundert einen Großteil Nordindiens beherrschte.

Octavio Paz war von 1962 bis 1968 Botschafter Mexikos in Indien.

1.11.10

Quadro Nuevo: Reise nach Batumi



Schon mal was von Batumi gehört? Irgendeine Idee, wo das sein könnte?

Seit ich Mittwoch letzter Woche Quadro Nuevo in einem Konzert hier in Stuttgart erlebte, weiß ich, dass es den Ort gibt, dass er im heutigen Georgien liegt und dazu noch historisch belastet ist.

Denn es war irgendwo in der Gegend von Batumi, wohin Jason aus alten griechischen Zeiten auszog, um sich das goldene Vlies zu holen, das von einem bösartigen Drachen gehütet wurde.

Jason, ein kraftstrotzender Jüngling, Abenteuern nicht abgeneigt und vielleicht ein wenig naiv, und einige seiner Kumpels, zusammen die Argonauten genannt, traten eine Mission an, die in heutiger Zeit mit einer Reise zum Mars und ungewissen Aussichten auf eine Rückkehr innerhalb der nächsten siebzig Jahre verglichen werden könnte.

Als Preis winkten ihm ein Thron und eine hübsche Prinzession. Und was tut man nicht alles für einen Thron und eine Prinzessin...

Die “Reise nach Batumi” ist nur eine der Reisen, die auf der neuesten CD von Quadro Nuevo mit dem passenden Titel “Grand Voyage” angetreten werden; unter anderem geht's auch nach Portugal, Antiochia (heute Antakya genannt) und Tunesien.

An jedem der angesteuerten Orte hat sich das Quartett inspirieren lassen, hat dort komponiert und gespielt. Entstanden sind fantastische musikalische Touren, die anzuhören ein Hochgenuss ist.

Diese CD und weitere von Quadro Nuevo sind in Musikgeschäften und im Online-Handel erhältlich, z.B. auch bei Amazon.

– Iself (© 2010)

PS: Neugierig auf Batumi? Wikipedia hat die Antwort.

Eat Art, Stuttgart

Salz oder Persil? Eines der Exponate der Ausstellung Eat Art im Stuttgarter Kunstmuseum. 

Salt or laundry detergent? One of the exhibits to be seen at the Eat Art show in Suttgart.

30.10.10

Trip to Batumi



Ever heard of Batumi? Any idea where it might be?

Neither had I, neither did I.

But ever since attending a Quadro Nuevo concert last Wednesday here in Stuttgart I sort of know where the place is and that it’s truly anciently historical.

Because it was somewhere around Batumi that Jason of old Greek times was sent to obtain the Golden Fleece, guarded by a highly aggressive dragon.

Jason, a strapping youth not adverse to adventure and a bit naive, and some of his buddies, together called the Argonauts, went on a mission that would be, in our day and age, somewhat like latter-day astronauts flying to Mars and not knowing if you were ever going to be back within the next seventy years.

But a throne and a lovely princess were to be his rewards. And what would one not do for a throne and a lovely princess...

The “Trip to Batumi” is only one of the numerous trips the latest CD by Quadro Nuevo – appropriately titled “Grand Voyage” – takes you to – others include Portugal, Antioch (today’s Antakya) and Tunisia.

Guided musical tours by four fantastic musicians from Bavaria that are really worth it!

This CD and others by Quadro Nuevo are available at music stories or online shops, such as Amazon.

– Iself (© 2010)

PS: Curious about Batumi? Wikipedia has the answer.

17.10.10

Vicente Huidobro / Kutter

Die Erinnerungen
                           sind es müde geworden, mir zu folgen

                   DER WEG WAR SO LANG

Dieser Wind kam von etlichen Schwingen
Und die Tage vergehen heulend am Horizont

Als junger Kutter
Durchkreuzte ich viele Ungewitter
Bei Seemannsliedern

Alle Möwen
                   gaben mir Federn in die Hände

Hinter dem letzten Berg
                                     stiegen die Monate hinab

Ein posthumer Gesang versperrte uns die Ausfahrt

– Vicente Huidobro (aus “Poemas árticos”, erste Veröffentlichung 1918)

Aus dem Spanischen übersetzt von Johannes Beilharz (© 2010)

Weitere Gedichte von Vicente Huidobro

City puzzle

Stuttgart, Germany, 21st century

The game appears to be
to create the maximum number
of simultaneous holes in the
ground, marked by white-red
striped accident prevention
contraptions.

                     These holes
form the puzzle. Now to
connect them and get wise
to the great scheme behind
them all...

– Johannes Beilharz (© 2010)

My small tribute to the construction frenzy rampant in this city. Most likely, the authorities are attempting to prepare us for the mother of all constructions – Stuttgart 21 – bound to turn the city into one coherent construction mess for about ten years.

11.10.10

Yannis Ritsos / Heilung

Die Nächte gingen sehr dunkel vorbei.
Gewaltige Schreie liefen im Wind.
Am nächsten Tag erinnerten wir uns an gar nichts.
In der Zeit klaffte ein tiefes Loch.

Da, wo der Wolf sich eingenistet hatte,
blieb ein Schlagloch, mit warmem Wolfshaar ausgekleidet.
Jetzt könnte sich dort ein Schaf hinlegen.

– Yannis Ritsos (1909-1990)

Ins Deutsche übertragen von Johannes Beilharz (© 2010)

[Titel des griechischen Originals: Επουλωση. Aus: Ritsos in Parenthesis, Princeton University Press 1979]

7.10.10

Stille Wasser

... sind tief –

aber das ist noch lange keine Garantie dafür, dass etwas drin ist.

– Iself

Dringend notwendige Ergänzung eines alten Sprichworts.