16.12.23

Aus den magnetischen Feldern

 


“Das unermessliche Lächeln der ganzen Erde hat uns nicht genügt: wir brauchen noch größere Wüsten, Städte ohne Vororte und tote Meere.”

– André Breton & Philippe Soupault

Ein Zitat aus Les Champs magnétiques der Surrealisten André Breton und Philippe Soupault, verfasst 1919 unter Anwendung der von den beiden Autoren erfundenen Methode des automatischen Schreibens. 

Das Zitat hat etwas annähernd Prophetisches – wenn Klimawandel und Umweltvernichtung fortschreiten wie bisher, bekommen wir wohl in absehbarer Zukunft das, was sich die Autoren da so beschwingt automatisch gewünscht haben.

Zitat übersetzt und Nachbemerkung von Johannes Beilharz.

Der oben abgebildete Buchdeckel ist der einer Neuveröffentlichung bei Poésie / Gallimard von 1971.

15.12.23

Legenden des Wilden Westens in Künstlerbildern

1. Old Shatterhand bringt Nscho-tschi das Schießen bei oder umgekehrt


2. Evil Long Silver kommt aus dem Saloon – nur sein Pferd verharrt angezurrt; alle anderen sind geflohen


3. Bevor es Mount Rushmore gab, gab es diese Desperados als Vorbilder (von links nach rechts: Rusty Reagan, Cliff Mystic Rousevelt, Curt Colbain, Red Hot Moon)


4. Wild Bill Clinger auf Bronco Billy


5. Bill “The Lip” Clynton und Sitting Bulldog


6. Justin “Red” Rydler mit seiner geliebten Remington



20.11.23

Nan Witcomb – Im Kopf liebe ich den Geschmack des Lebens

 


Im Kopf 
liebe ich den Geschmack des Lebens – 
In Wirklichkeit jedoch 
geht die Süße 
oft in der Verwirrung
des Lebens verloren ...

– Nan Witcomb

Ins Deutsche übersetzt von Johannes Beilharz im November 2023 zu Ehren der diesen Monat im Alter von 95 Jahren verstorbenen australischen Autorin.

9.11.23

Richard Brautigan – Endlich stimmen unsere Körper überein

 


Endlich stimmen unsere Körper überein.
Ich wette, du dachtest, das 
würde nie geschehen. Auch ich 
hielt es für unwahrscheinlich.
Eine angenehme Überraschung.

– Richard Brautigan

Originaltitel: “At Last Our Bodies Coincide”, aus Richard Brautigan, Rommel Drives On Deep Into Egypt (1970). Ins Deutsche übersetzt von Johannes Beilharz.

7.9.23

A movie date

 


(A tale from a not so distant past)

Dedicated to Zoyâ Pirzâd

Morad had not arrived by the agreed time, was already fifteen minutes late. 
She’d gone to the window umpteen times, pulled aside the curtain and looked out for him. 
To avoid her mother’s suggestive glances and silence, she left the house and walked down the street to the public phone booth. Occupied by weighty and visibly sweating Mme Samadani, engaged in never-ending chitchat. 
When her turn finally came, Morad’s mother had no clue where he was. Maybe he’d simply forgotten, she surmised with a cascade of laughter. This cascade of laughter was soon to be her mother-in-law. Provided, of course, that Morad could be forgiven for not showing up on time.
To top it all off, Morad had arrived when she returned, listening attentively to her mother’s detailed description of how to knit God knows what.
Things did not bode well for the planned movie outing.
They would miss the beginning of the film, and she hated to miss the beginning of a story.
In fact, even the time before the beginning was essential, because Morad would be able to buy popcorn and drinks for the two of them. Allowing them to enter when the lights were still on, allowing them to see the previews.
The whole world, including his cascading mother and her own mother, thought this man was a great catch. 
But would he prove himself worthy ... at the right time?

– Johannes Beilharz (© 2023)

Author's note
Reading the book Le goût âpre des kakis (published by Zulma in Paris in 2009) by Iranian author Zoyâ Pirzâd, pictured above, inspired this story.

German version: Eine Kinoverabredung

24.5.23

25 Grad

Dame
mit
schwarzer
Sonnenbrille
und
I-Phone
mit
geschlossenen
Fenstern
im
schwarzen
Mercedes
neben
mir
lässt
den
Motor
laufen
und
sich
mit
kühler
Kunstluft
berieseln
während
sie
vor
der
Schule
bei
25 Grad
auf
ihren
Nachwuchs
wartet

Ihre
Rechnung
geht
auf

Was
sind
schon
ein
Liter
Benzin
und
etwas
Co2
und
Stickoxid
im
Vergleich
zur
eigenen
Behaglichkeit

Ist
doch
bezahlbar

– Iself (© 2023)

 

So mitbekommen am Nachmittag des 23. Mais 2023 und nichts dazuerfunden.

15.5.23

Gedichte von Mark Strand, Samuel Noyola, James Schuyler und Louise Bogan

 

Die Neueinstellung der zuvor bei FixPoetry veröffentlichten Gedichtübersetzungen schreitet fort. 

Heute sind die Übersetzungen der Gedichte von Mark Strand (1934-2014, USA), Samuel Noyola (geb. 1965, Mexiko), James Schuyler und Louise Bogan (beide USA) hinzugekommen.

Sie sind auf der eigens erstellten Webseite zu lesen.

27.4.23

Das wird wieder ein Münchhausen-Gedicht!

 


Ich sag dir, das wird wieder ein Münchhausen-Gedicht!

Wieso denn das?

Weil es sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf hievt.

  

– Iself (© 2023)

  

Ist das nun ein echter Kalauer oder nicht?

16.3.23

Octavio Paz – Tanghi-Garu-Pass

 


Tanghi-Garu-Pass

Ein belastetes Land:
Der Winter hat es mit seinen Waffen gezeichnet,
Dornenkleid war der Frühling.

Berge von Glimmer. Schwarze Ziegen.
Unter den schlafwandlerischen Hufen
Schimmert missbilligend der Schiefer.

Feststehende Sonne, angenagelt
An die riesige steinerne Narbe.
Der Tod denkt uns.

– Octavio Paz

Titel des spanischen Originals: Paso de Tanghi-Garu. Aus: Octavio Paz, Ladera Este, 1969. Ins Deutsche übertragen von Johannes Beilharz. Der Pass im Titel des Gedichts, auch Tang-e Ghārō geschrieben, befindet sich in Afghanistan an der Strecke von Dschalalabad nach Kabul.

Foto von Octavio Paz von Ricardo Salazar

9.2.23

Charles Bukowski – Sie schlug die Tür zu

Sie schlug die Tür zu und war weg. 
Ich schaute auf die geschlossene Tür
und auf den Türknauf, und seltsamerweise 
fühlte ich mich nicht allein.

– Charles Bukowski

Ins Deutsche übersetzt von Johannes Beilharz. Das amerikanische Original stammt aus Bukowskis Gedichtband You Get So Alone at Times That It Just Makes Sense (1986).

4.12.22

Bayerische Kartenspieler

Ein absurder Dialog

Nr. 1 (schnuppert): Hier stinkt’s.

Nr. 2 (schnuppert): Riecht nach Furz.

Nr. 3 (schnuppert): Ja, wirklich.

Nr. 1: Werden die Hunde sein.

Nr. 2 (sieht sich um): Sind keine da.

Nr. 3: Werden schon noch kommen.

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Ein alter bayerischer Witz, neu in Hochdeutsch gefasst.



29.8.22

A gardening poem

 


Having read
just now
that gardening poems
have a long tradition, 
here’s mine:

My wife’s thumb
is much greener
than mine, which
is why the gardening
is her doing alone

– Iself (© 2022)

Photo by Nils Stahl on Unsplash

7.7.22

Yannis Ritsos - Vielleicht, eines Tages

 


Yannis Ritsos

Vielleicht, eines Tages

Ich möchte dir diese rosa Wolken in der Nacht zeigen.
Du siehst aber nichts. Es ist Nacht – was kann man da schon sehen?

Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als mit deinen Augen zu sehen, sagte er,
damit ich nicht allein bin, damit du nicht allein bist. Und tatsächlich 
ist da nichts, da drüben, wo ich hinzeige.

Nur die Sterne drängen sich in der Nacht zusammen, müde, 
wie Leute, die im Lastwagen von einem Picknick zurückkommen, 
enttäuscht, hungrig, niemand singt, 
mit verwelkten Wildblumen in den verschwitzten Handflächen.

Aber ich werde darauf bestehen, zu sehen und dir zu zeigen, sagte er, 
denn wenn du nichts siehst, wird es so sein, als sähe auch ich nichts –  
ich werde wenigstens darauf bestehen, nicht mit deinen Augen zu sehen – 
und vielleicht werden wir eines Tages aus unterschiedlichen Richtungen aufeinander treffen.

Titel des griechischen Originals: Ίσως μια μέρα. Ins Deutsche übertragen von Johannes Beilharz (© 2022). 

Photo by Nacho Rochon on Unsplash

6.7.22

Aufgelesene Bücher

 


Aufgelesen in der öffentlichen Bücherkiste in Walddorfhäslach.

Über diese interessante Autorin des deutschen Expressionismus (1880-1945) ist leider nur wenig bekannt – nicht einmal ihr Todestag (behördlich festgelegt). Einige ihrer Novellen wurden zwischen 1911 und 1936 in der Zeitschrift Simplicissimus veröffentlicht.

Aufgelesene Bücher

 

  

Aufgelesen im Weggebe-Bücherkasten der Lyrikhandlung am Hölderlinturm in Tübingen. Über Anton G. Leitner